Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
Trennwänden so umgebaut worden, das er entfernt einem Apartment ähnelt. Vor den großen Fenstern erstreckt sich eine Fläche von der Größe einer Eislaufahn, in deren Mitte ein weiß eingedeckter Tisch steht, an dem etwa sechzig Menschen Platz finden können. Seitlich davon lädt eine großzügige Couchecke mit mehreren, in groben weißen Leinenstof gehüllten Sofas und Sesseln zum Sitzen ein. Die Holzplanken des Bodens sind von den Füßen unzähliger Fabrikarbeiter völlig abgewetzt und an einigen Stellen schwarz verfärbt, als hätte dort jemand kleine Lagerfeuer entzündet, es sich dann aber wieder anders überlegt und sie gelöscht.
»Hier.« Bobby reicht mir einen Plastikbecher, der, wie sich nach dem ersten Schluck herausstellt, mit billigem Sekt gefüllt ist, und greift nach meiner Hand. »Sag mir, wen du gern kennenlernen würdest. Ich kann dir hier jeden vorstellen.«
Am liebsten würde ich meine Hand wieder wegziehen, aber das wäre unhöflich. Außerdem bin ich mir sicher, dass Bobby nur nett sein will. »Wie wäre es mit Barry Jessen?«, sage ich kühn.
»Was? Du kennst ihn gar nicht?«, fragt Bobby mit so aufrichtiger Überraschung, dass ich lachen muss. Es ist mir ein Rätsel, wie er auf die Idee kommt, ich könnte den großen Barry Jessen kennen, aber ofensichtlich hält er mich für ein vollwertiges Mitglied der New Yorker Szene. Was wiederum nur meine These untermauert: Wenn die Leute einen oft genug sehen, glauben sie, man wäre eine von ihnen.
Bobby verliert keine Zeit und führt mich unverzüglich zu Barry Jessen, der sich gerade mit mehreren Leuten gleichzeitig unterhält. Mein Gefühl, dazuzugehören, löst sich binnen einer Sekunde in Nichts auf, aber Bobby scheint gegen die feindseligen Blicke völlig immun zu sein. »Barry? Das ist Carrie Bradshaw«, stellt er mich vor. »Sie brennt darauf, dich kennenzulernen. Du bist ihr absoluter Lieblingskünstler.«
Kein einziges Wort davon ist wahr, aber ich mache mir nicht die Mühe, ihm zu widersprechen, zumal plötzlich ein Hauch von Interesse in dem zunächst gereizten Blick von Barry Jessen auflitzt. Ofensichtlich ist er für Schmeicheleien nicht unempfänglich – im Gegenteil. Er erwartet sie geradezu.
»So, bin ich das?« Seine dunklen Augen brennen sich in meine, und auf einmal habe ich das unheimliche Gefühl, direkt in das Antlitz des Teufels zu blicken.
»Ihre Ausstellung ist wirklich fantastisch«, sage ich verlegen.
»Was meinen Sie? Werden die anderen das genauso sehen?«, fragt er.
Sein durchdringender Blick verunsichert mich. »Ihre Arbeiten sind … sie sind so … so kraftvoll. Wie könnte irgendjemand sie nicht fantastisch finden?«, stammle ich und bete, dass er mir keine weiteren Fragen stellt.
Mein Gebet wird erhört. Von meiner Antwort ofensichtlich zufriedengestellt wendet Barry sich von mir ab und beginnt ein Gespräch mit der Frau im silbernen Mantel.
Nur Bobby versteht den Wink mit dem Zaunpfahl ofensichtlich nicht. »Hey, Barry«, fährt er völlig unbeirrt fort. »Wir müssen uns dringend mal über Basil unterhalten.«
Ich beschließe, dass der Zeitpunkt günstig ist, die Flucht anzutreten. Eines ist mir durch diese Begegnung klar geworden:
Die Tatsache, dass man jemanden, der wichtig ist, kennt, macht einen nicht automatisch selbst zu jemandem, der wichtig ist.
Ich husche einen schmalen Flur entlang und komme an einer geschlossenen Tür vorbei, hinter der Gelächter und gedämpftes Flüstern zu hören ist. Daneben befindet sich ein weiterer Raum. Vermutlich die Toilette, was ich daraus schließe, dass mehrere Leute davor Schlange stehen. Die Tür am Ende des Flurs steht einladend ofen, sodass ich es wage, einfach einzutreten.
Ich bleibe überrascht stehen. Hier sieht es ganz anders aus als im Rest des Lofts. Der Boden ist mit orientalischen Teppichen bedeckt und in der Mitte steht ein kunstvoll verziertes antikes indisches Bett, auf dem inmitten von Dutzenden von Seidenkissen zwei Personen sitzen.
Im ersten Moment vermute ich, dass ich versehentlich im Schlafzimmer der Jessens gelandet bin, aber dann erkenne ich Rainbow, die sich mit einem Jungen unterhält, der eine jamaikanische Strickmütze trägt, unter der Dreadlocks hervorschauen.
»Entschuldigung«, murmle ich verlegen, als der Typ überrascht auflickt. Er ist bestürzend hübsch, hat wunderschöne dunkle Augen und Gesichtszüge, die aussehen wie gemeißelt.
Rainbow fährt erschrocken herum, als wäre sie bei etwas Verbotenem erwischt worden,
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