Summer Sisters
und was nicht. Sie sah sich schon, wie sie sich nach einer Mahlzeit von Giftpilzen auf der Erde krümmte. Und wie die Bären an ihrer Leiche herumknabberten.
»In Belgien nennt man das, glaube ich, Batpack.«
Ama fuhr zusammen, machte einen Hopser und drehte sich einmal um sich selbst.
Neben ihr stand ein Junge aus ihrer Gruppe.
»Was?« Ihr Herz hämmerte - das einzig Schnelle an ihr.
Er zeigte auf ihren Rucksack. »Rucksack. Auf Flämisch
klingt das wie Batpack. Ich weiß nicht, wie es geschrieben wird, aber so spricht man es aus.«
»Oh.« Ama sah auf ihre Füße.
Wo war er so plötzlich hergekommen?
Und wovon redete er?
Ama konnte sich nicht gut mit Jungs unterhalten, schon gar nicht, wenn ein Gespräch so schwierig begann wie dieses hier. Wahrscheinlich hatte er es witzig gemeint und sie hätte lachen sollen. Die Sekunden tickten vorbei. Jetzt konnte sie nicht mehr lachen, oder?
»Ich hab in Belgien gelebt, bis ich in die Schule gekommen bin. Und ausgerechnet an so was erinnere ich mich.« Er schwieg kurz. »Nein, warte. Vielleicht heißt Batpack gar nicht Rucksack, sondern Badehose.« Er schüttelte den Kopf. »Da kannst du mal sehen - mit meinem Flämisch ist es nicht mehr weit her.«
Er hieß Noah, fiel ihr jetzt wieder ein, und war aus New York. Seine Haare waren lang und ein bisschen fettig, aber er hatte ein unglaublich nettes Lächeln.
»Ich hab früher in Ghana gelebt«, platzte Ama heraus, bevor sie es sich anders überlegen konnte. »Bis ich in die Schule gekommen bin.«
»Echt?«
»Ja.«
»Meine Mutter hat bei einer Software-Firma in Antwerpen gearbeitet«, sagte Noah. »Deshalb haben wir da gewohnt.«
»Wir sind einfach... von da. Also, von Ghana. Ich meine, wir stammen aus Ghana«, stammelte Ama.
Warum stellte sie sich bloß so blöd an?
»Tja, und ich hab mal fließend Flämisch gesprochen, aber jetzt hab ich fast alles vergessen. Du hast es ja gemerkt. Außer Batpack, was entweder Rucksack oder Badehose bedeutet,
weiß ich nichts mehr. Kannst du noch... was spricht man eigentlich in Ghana?«
»Hauptsächlich Englisch. Und dann noch eine Reihe von Dialekten. Meine Familie spricht Akan. Und meine Mutter ist von der Elfenbeinküste, deshalb sprechen wir auch Französisch.«
»Und du kannst alle drei Sprachen?«
Ama war sich nicht sicher, bis zu welchem Punkt man auf andere interessant und ab wann man abgedreht wirkte.
»Ja«, sagte sie zurückhaltend. Und Spanisch und ein bisschen Arabisch , hätte sie hinzufügen können, aber sie wollte nicht völlig außerirdisch wirken. »Meine Eltern und meine ältere Schwester sprechen Akan, damit ich nicht alles vergesse. In Ghana sprechen alle mindestens zwei oder drei Sprachen. Das ist dort nichts Besonderes.«
Ama warf Noah einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Sie war sich ziemlich sicher, ab welchem Punkt man als langweilig rüberkam, und sie fragte sich, warum sie immer so wild darauf war, langweilig zu wirken.
»Wollt ihr hierbleiben?«, fragte er. »In Amerika, meine ich. Oder geht ihr wieder zurück?«
»Nach Ghana? Nein, wohl eher nicht. Meine Eltern haben ihr ganzes Geld für die Greencards ausgegeben, deshalb glaub ich das nicht. Na ja, also mein Bruder hat keine gebraucht. Er ist hier geboren. Er ist der Amerikaner in der Familie. Wir haben alle traditionelle ghanaische Namen, aber er heißt Bob.«
Ama linste wieder zu ihm rüber. Sie hatte für einen Moment ganz vergessen, dass sie sich mit einem Jungen unterhielt.
Noah schien das mit Bob zu gefallen. Er lachte. Plötzlich hatte Ama Angst, dass er sie auslachte, und sie stolperte prompt über eine Wurzel.
Sie merkte, dass Noah ihretwegen langsam ging. Er bewegte
sich so geschmeidig und geräuschlos wie eine Katze, und trotzdem ließ er sich auf ihr müdes Tempo ein. Wahrscheinlich tat es ihm schon leid, dass er sich zu ihr gesellt hatte.
»Du kannst ruhig vorgehen«, sagte sie unsicher und stolperte erneut. »Wenn du möchtest.«
Wieder versuchte sie, ihre schrecklichen Haare glatt zu streichen.
»Was meinst du damit?«
»Ich weiß, dass ich langsam bin. Du musst nicht mit mir gehen.«
»Ich hab mein eigenes Tempo drauf und geh gern meine eigenen Wege. Ich hab da hinten einen kleinen Abstecher gemacht und einen Fluss mit einem winzigen Wasserfall entdeckt. Ich hab’s nicht besonders eilig.«
»Na gut«, sagte sie widerwillig.
»Aber wenn du lieber allein sein willst...«
Nein! Ich will nicht allein sein! Bitte geh nicht weg! Aber das sagte sie nicht.
Sie
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