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Summer Sisters

Titel: Summer Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Brashares Nina Schindler
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Fenster auf den dichten Autoverkehr in Richtung Küste. Aber sie wusste, dass ihr Zeugnis nicht der Grund für das Treffen war.
    »Ich muss Schluss machen. Mein Akku ist gleich leer.«
    »Okay. Bis morgen. Gute Fahrt mit dem klapprigen Bus.«
    »Du meinst wohl mit der vollklimatisierten Luxuskarosse.«
    »Oder so.«
    Jo lehnte die Stirn an die Fensterscheibe und betrachtete die leuchtend rote Sonne. Meistens ergoss sie ihr Licht über
den ganzen Himmel, aber heute behielt sie alle Farbe bei sich. Sie sah aus wie ein Feuerball, der bald ein paar Kilometer weiter westlich niederstürzen würde, vielleicht auf Bethesda, vielleicht sogar auf ihr Haus.
    Sie hatte Polly immer noch nicht zurückgerufen. Das sollte sie endlich mal tun. Polly würde ihr garantiert richtig zuhören, wenn sie ihr erzählte, dass sie mit dem Bus von Rehoboth nach Hause fuhr, um mit ihrem Vater zu essen: Sie würde sofort wissen, dass das irgendetwas zu bedeuten hatte.
    Ihr fiel ein, wie Polly etwa vor einem Jahr mal über ihren Vater gesprochen hatte, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.
    »Mein Vater ist auch nicht mehr da, falls du dich jetzt besser fühlst«, hatte Jo gesagt und sich damit selbst überrascht. Sie war in einer sehr mutigen Stimmung gewesen.
    »Doch, dein Vater ist noch da«, hatte Polly entgegnet, weil sie immer alles wörtlich nahm. »Er wohnt bei euch zu Hause.«
    »Weiß ich.« Jo hatte nichts mehr dazu sagen wollen, aber sie hatte Polly angesehen, dass sie wenigstens teilweise verstanden hatte, wie sie es gemeint hatte.
    Jos Vater war Chirurg. Als Jo klein gewesen war, hatte er gerade seine Stelle im Krankenhaus angetreten. Er hatte abends meistens zusammen mit der Familie gegessen und war an den Wochenenden mit ihr und Finn ins Kino, in Museen oder zu Sportveranstaltungen gegangen. Er hatte jeden Tag Geige mit ihr geübt. Und er hatte ihr das Fußballspielen beigebracht und ihre Mannschaft trainiert, bis sie in der fünften Klasse in die Kreisliga aufstieg.
    Nach Finns Tod war er immer länger und immer häufiger im Krankenhaus geblieben.
    »Dein Vater ist ein Spitzenchirurg«, hatten die Leute immer
zu ihr gesagt, als wäre das wichtig. Später hatten sie dann gesagt: »Dein Vater ist ein erstklassiger Spitzenchirurg.«
    Da war sie zwölf gewesen, und die gemeinsamen Abendessen hatten schon der Vergangenheit angehört. Seit sie nur noch zu dritt waren, fühlte es sich nicht mehr wie eine Familie an. Jo aß, sooft es ging, bei Ama. Zu Hause aß sie mit Mona, der Haushälterin, Tiefkühlpizzas oder bestellte sich irgendwas vom Lieferservice, manchmal auch mit ihrer Mutter.
    Jo und ihr Vater unternahmen fast nichts mehr miteinander. Ihr Vater sah sie kaum noch an. Er kam nie in ihr Zimmer. Als er einmal in ihrem Bad die Toilette reparieren musste, war er so verlegen und verwirrt gewesen, als wäre er auf einem fremden Planeten gelandet, und Jo hatte gehofft, dass er ein besserer Arzt als Klempner war.
    »Für Väter ist es schwierig, dabei zuzusehen, wie ihre kleinen Mädchen größer werden«, hatte ihre Großmutter Mary mal gesagt.
    »Ich glaube, er sieht gar nicht hin«, hatte Jo widersprochen.
    Für Jo war ihr Vater auf eine andere Art und Weise verloren als Pollys. Polly hatte nie einen gehabt, also hatte sie im Grunde auch nichts verloren.
    »Wenigstens ist er gegangen, bevor er dich kennengelernt hat«, hatte Jo zu ihr gesagt. »Da musst du es nicht so persönlich nehmen.«
    Jo hatte gespürt, dass Polly Mitleid mit ihr hatte und nicht wusste, was sie darauf sagen sollte. Erst eine Woche später hatten sie wieder über Väter geredet.
    »Ich wette, wenn du... na ja, operiert werden müsstest oder so was, dann wäre dein Vater sofort für dich da.«
    Jo hatte lachen wollen, aber das Lachen war ihr im Hals stecken geblieben. Sie hatte schnell das Thema gewechselt und über eine Pickelcreme oder etwas ähnlich Belangloses gesprochen.
Polly hatte, ohne es zu wissen, etwas Schmerzhaftes berührt. Jos Vater war ein erstklassiger Spitzenchirurg, aber Finn hatte er nicht retten können.
     
    »Weißt du schon, was du essen möchtest?« Jos Vater versuchte, den Lärm in dem mexikanischen Restaurant zu übertönen, das in der Nähe des Busbahnhofs lag, wo er sie abgeholt hatte.
    Jo blätterte immer noch in der Speisekarte. Sie wollte sie am liebsten gar nicht weglegen, denn das Essen war das Einzige, worüber sie bislang gesprochen hatten.
    »Ich überlege noch«, sagte sie, ging noch mal alle Spezialitäten durch

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