Summer Sisters
der Bühne und lief durch die Seitentür zurück in den Zuschauersaal. Bis die nächste Model-Gruppe über den
Laufsteg ging, gab es eine kleine Pause, und Polly wollte die Zeit nutzen und Dia sagen, wie sehr sie sich freute, dass sie gekommen war.
Sie kämpfte sich durch die Sitzreihen zu ihr durch, als sie auf einmal eine Stimme hörte, die ihr bekannt vorkam. Es war Genevièves.
»Ich hab ja versucht, sie zu schminken«, sagte sie gerade zu einer anderen Frau, die Polly nicht kannte. »Aber es hat nicht viel genützt. Sie ist wirklich ein süßes Ding, aber es ist mir ein völliges Rätsel, wie sie auf die Idee gekommen ist, sie könnte Model werden.«
»Außerdem braucht sie dringend eine Zahnspange«, sagte die andere Frau.
Polly blieb wie angewurzelt stehen. Kein Zweifel - die beiden sprachen über sie. Dia saß direkt vor Geneviève, aber jetzt wollte Polly nicht mehr zu ihr. Sie wollte nur noch weg von hier. Hoffentlich hatte Dia nicht gehört, was Geneviève über sie gesagt hatte. Wenn doch bloß die Musik endlich wieder einsetzen würde und das nächste Model auf den Laufsteg käme und diese schreckliche Unterhaltung im Lärm unterging. Sie wollte gerade zurück zur Seitentür laufen, als sie sah, wie Dia sich zu den beiden umdrehte. An ihrer Körperhaltung und ihrem Gesichtsausdruck erkannte Polly, dass es Ärger geben würde.
»Entschuldigen Sie bitte, aber was wollen Sie damit sagen?« Dia funkelte Geneviève wütend an, und ihre Stimme war so laut, dass sie weithin mühelos zu verstehen war.
Geneviève starrte Dia überrascht an. »Sprechen Sie mit mir?«
Polly kannte den Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Mutter. Wäre sie doch nur hinter der Bühne geblieben. Sie machte einen Schritt vorwärts.
»Dia, bitte«, sagte sie mit möglichst fester Stimme. »Es ist doch egal, was sie gesagt hat.«
Aber Dia nahm Polly kaum wahr.
»Ja, ich spreche mit Ihnen«, schleuderte sie Geneviève ins Gesicht.
Polly bekam plötzlich Angst, Dia könnte Geneviève einen Stoß versetzen. Sie machte noch einen Schritt auf ihre Mutter zu.
»Ich hab nur gesagt... Ich meinte doch bloß, dass...« Geneviève brach verwirrt ab; sie hatte offenbar keine Ahnung, worum es hier ging.
» Was haben Sie gemeint?«
Geneviève sah Dia an und warf Polly dann einen erschrockenen Blick zu.
»Ich habe nur gesagt, dass sie ein süßes Ding ist, aber vielleicht nicht ganz das Zeug zu einem Model hat.«
Endlich setzte die Musik wieder ein, aber sie war nicht laut genug, um den Wortwechsel zu übertönen.
»Bitte, Dia, es ist gut. Wirklich.« Polly zitterte am ganzen Leib.
Dia funkelte Geneviève immer noch an.
»Und warum sagen Sie so was?« Ihr Gesicht war vor Wut so verzerrt, dass Polly wegschauen musste.
»Na ja, sie ist... sie ist nicht groß genug«, sagte Geneviève zögernd. »Sie ist...«
»Sie ist ein wunderschönes Mädchen«, schnitt Dia ihr grob das Wort ab.
Polly schlug die Hände vors Gesicht und schloss die Augen. Als sie wieder hinschaute, sah ihre Mutter nicht mehr wütend aus, sondern verzweifelt.
23
Als die Show vorbei war, wartete Polly hinter der Bühne mit den anderen darauf, dass ihnen die Listen ausgehändigt werden würden. Die Mädchen standen in Gruppen zusammen, kreischten und kicherten oder stürzten sich auf das Büfett und verschlangen Bagels, Putenfleisch-Wraps und Mini-Brownies. Polly war nicht die Einzige, die in den letzten Tagen nur wenig gegessen hatte. Sie wäre auch gern hungrig gewesen, aber ihr Magen fühlte sich an wie zugeknotet. Sie stand ein Stück abseits von den anderen, knetete nervös die Hände und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen.
Karens drei Assistentinnen arbeiteten fieberhaft an den Computern, die hinten im Raum standen. Polly hörte das unaufhörliche Rattern der Drucker.
Plötzlich kam Mandy auf sie zu und umarmte sie.
»Du warst echt gut«, sagte sie etwas verlegen.
Polly nickte nur. Sie traute sich nicht, etwas zu sagen, weil sie nicht wusste, was dabei herauskommen würde. Als sie sich gerade fragte, ob ihre Mutter wohl draußen auf sie wartete oder schon gegangen war, klatschte Karen in die Hände.
»Es dauert noch ein bisschen, bis wir das Endergebnis haben, weil die Auswertung ziemlich kompliziert ist, aber es gibt schon erste Listen. Diejenigen, die jetzt aufgerufen werden, kommen bitte nach vorn.« Karen begann, ein paar Namen vorzulesen.
Die aufgerufenen Mädchen bahnten sich einen Weg durch die Menge, nahmen ihre Liste in
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