Summer Westin: Todesruf (German Edition)
sah von der Sonntagszeitung hoch, die er auf seinem Zeichentisch ausgebreitet hatte. Philip King strich gerade über die Einkerbung an der Vorderseite eines der Podien.
»Da kommt ein Schild hin. Stewart’s in Port Angeles fertigt die Schilder, sie sind bis Ende des Monats fertig.« Jack zog die Zeichnung unter der Zeitung hervor und wedelte damit in die Richtung seines Freunds.
»Du meinst, so etwas wie eine Schnitzerei? Das hätte ich doch auch machen können.«
Kings Schnitzereien waren nicht sonderlich professionell. Jack ignorierte ihn und überflog weiter die Nachrichten. Seine Kehle war trocken, und er wünschte sich, er hätte etwas von seinem schwarzgebrannten Schnaps mit in die Werkstatt gebracht.
King trat hinter ihn, atmete ihm in den Nacken und versuchte, über Jacks Schulter mitzulesen. »Was gefunden?«
»Rück mir nicht so auf die Pelle, Mann.« Jack gab ihm einen Stoß mit dem Ellbogen. »Ich schaue gerade.«
Endlich fand er im Lokalteil, was er suchte. Einen winzigen Artikel auf der zweiten Seite. FEUER IM OLYMPIC NATIONAL PARK. »Hier steht es.«
»Was schreiben sie?«
»Das Feuer hat 14 Morgen vernichtet.«
»Mehr nicht? Ich hatte gedacht, es wäre größer.« King deutete auf die Zeitung. »Steht da irgendwas über …«
Jack fasste den Artikel zusammen. »Der Brand wurde vorsätzlich gelegt, eine Parkangestellte schwer verletzt. Über Allie steht da nichts.« Er war überrascht, dass ihm ihr Name so leicht über die Lippen kam. Er rieb sich die Arme. Es war kalt in der Werkstatt heute Morgen. Er musste nachsehen, wo sein Sweatshirt war.
Mit seinen walnussfarbenen Fingern fuhr sich King durch das kurz geschnittene blonde Haar. Ein dunkler Streifen blieb zurück. Jack warf einen prüfenden Blick auf seine eigenen Hände. Unter den Nägeln entdeckte er einen kleinen Flecken, wenn man genau hinschaute, aber davon abgesehen waren sie sauber.
»Das Feuer muss alles verbrannt haben«, sagte King. »Das ist gut, das ist wirklich gut.« Er hielt inne. »Tut mir leid, Mann, das wollte ich nicht …«
Jack zuckte mit den Schultern und kratzte sich an der Nase. »Sie hätte …« Seine Stimme brach, und er musste erst schlucken, bevor er fortfahren konnte: »Anders hätten wir es nicht machen können.« Aber er fragte sich, ob das wirklich stimmte. Er war völlig überrumpelt gewesen, als King und Roddie ihm erzählt hatten, Allie sei tot. Dann hatten sie die Brände gelegt, geschrien, dass die Bullen kämen, waren durch den dunklen Wald gerannt und hatten Allie zurückgelassen.
King boxte ihn gegen den Arm. »Es gibt immer Opfer, Mann.«
»Vermutlich.« Es fühlte sich verkehrt an, Allie so einfach abzuschreiben. Bestand irgendeine Chance, dass sie es doch noch geschafft hatte? In der Zeitung stand nichts von einer Leiche. Das konnte allerdings auch ein Trick sein. Im Moment bestand keine Möglichkeit, selbst hinzufahren, um das zu prüfen. Die Gegend würde von Rangern nur so wimmeln. Er sah King an. »Was hast du mit der Lampe gemacht?«
»Die ist wieder in meiner Garage, wo sie hingehört.«
Das war vermutlich sinnvoll, nahm Jack an. Petroleum für Coleman-Lampen gab es überall. Viele Leute hatten solche Leuchten für ihre Campingausflüge.
»Der alte Craig läuft durch die Gegend und sucht nach Allie. War er gestern nicht auch hier?«
»Ja.« Jack faltete die Zeitung zusammen, stand auf und warf sie in den Papierkorb. »Mach dir keine Sorgen, der hat nicht die geringste Ahnung.«
»Was hast du mit dem Wagen gemacht?«
Jack starrte ihn wortlos an. Je weniger King wusste, desto besser. Er war ein brauchbarer Schreiner und ein guter Schütze, aber nicht allzu helle, und er neigte zum Schwafeln, wenn er ein paar Bier intus hatte. »Keine Sorge, um den habe ich mich gekümmert.«
»Dieses kleine Missgeschick ändert doch nichts, oder?«
Kleines Missgeschick? Jack ballte die Fäuste und überlegte, ob er King eine verpassen sollte, weil er so von Allie sprach.
»Jetzt haben wir das perfekte Ziel. Viel besser als ein blödes altes Veteranenamt. Der Plan steht doch noch, oder?«
King hatte recht. Es war wichtiger denn je, dabei zu sein. »Der Plan steht.«
7
Das Krankenhaus war genauso deprimierend, wie Sam es erwartet hatte. Eine winzige dunkelhäutige Krankenschwester führte sie zu Lisas Zimmer und erzählte ihr, dass das Mädchen noch nicht wieder bei Bewusstsein sei, jedoch jeden Moment zu sich kommen könne. Es könne aber auch noch ein paar Tage dauern. Ein Trommelfell war
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