Summer Westin: Todesruf (German Edition)
lang nur den Kopf in den Sand zu stecken.
Die Zeitung berichtete, dass eine junge Frau, eine Parkangestellte, bei einem Brand im Park schwer verletzt worden sei. Heutzutage bekämpften auch Mädchen Waldbrände. Mädchen als Soldaten, Mädchen als Feuerwehrleute. Nun, Allie war kräftig, vor allem jetzt, wo sie im Gartenbau arbeitete. Vermutlich könnte sie sich auch als Feuerwehrfrau bewähren, wenn ihr nichts anderes übrig blieb. Aber er hoffte, es würde nie so weit kommen. Er erinnerte sich noch gut, wie die Jungs in seiner Einheit in Vietnam über die Krankenschwestern geredet hatten. Er wollte sich sein Mädchen lieber nicht mitten im Wald mit einer Horde Grobiane vorstellen.
Er hob den Kopf und nahm sich noch einmal die Zeitung vor. Lisa Glass lautete der Name der Parkangestellten. Sie stammte aus Philadelphia, war gerade mal 19 Jahre alt, zwei Jahre jünger als Allie. Und schwebte in Lebensgefahr. Die Eltern taten ihm leid. Er wusste, wie es war, wenn man sich Sorgen um seine Tochter machte. Wenn er Geld hätte, würde er der armen Familie einen Blumenstrauß schicken.
Die Welt da draußen war für Mädchen gefährlich, vor allem für blonde, gutaussehende wie Allie. Und die verdammten Bullen waren genauso nutzlos wie die Leute vom FBI. Sie würden nichts unternehmen, um Allie zu beschützen. Er stellte sich vor, wie ihr alter Nova den Geist aufgegeben hatte, wie sie trampte und dabei an eine Gruppe Perverser geriet, die sie schlugen und vergewaltigten und sie dann halbtot in den Wald oder in einen Entwässerungskanal am Rand des Highways warfen.
Und wenn sie nun wirklich schon dort lag …
8
Als Sam endlich auf den Parkplatz am Marmot Lake einbog, lag der Wald bereits tief im Schatten. Sie sah, dass die Schranke offen stand, und sofort beschleunigte sich ihr Herzschlag. Aber nur ein weiterer Pick-up des Nationalparks stand dort, mit der Kühlerhaube Richtung See. Kaum hatte Sam ihren Wagen daneben abgestellt, tauchte Ranger Paul Schuler mit einer Schaufel in der Hand auf dem Weg auf. Er bürstete sich gerade Asche von der Kleidung. Sie stieg aus, um ihn zu begrüßen.
Er hob die Hand zum Gruß. »Alles bestens«, sagte er. »Keine Feuernester.«
»Sonst irgendwas Wichtiges?«
»Als da wäre?« Seine Drahtgestellbrille war so schmutzig, dass Sam sich fragte, wie er es bloß ertrug, durch sie hindurchzuschauen.
»Blut. Bärenhaut. Waffen. Werkzeug.«
Als er sie überrascht ansah, berichtete sie ihm von dem Wilderer, auf den sie vor ein paar Tagen gestoßen war, und dann von dem alten Minenschacht.
Paul zog die Stirn kraus. »Das wird ja immer besser. Vielleicht sollten wir gelegentlich Patrouillen vorbeischicken, um der Öffentlichkeit klarzumachen, dass die Gegend hier jetzt im Besitz des National Park Service ist.«
»Ich komme gerade aus dem Krankenhaus«, sagte Sam. »Lisa Glass war für ein paar Minuten bei Bewusstsein.«
»Das höre ich gern.«
»Sie hat behauptet, sie wäre entführt worden.«
»Hm. Das klingt gar nicht gut.« Er drehte sich um, stützte sich nachdenklich auf seine Schaufel, und beide betrachteten sie eine Zeit lang schweigend den See. Das Abendlicht spiegelte sich lavendelfarben auf der ruhigen Wasseroberfläche. Schließlich murmelte er: »Die ausgeklügeltesten Pläne von Menschen und Mäusen gehen oft schief.«
Sie starrte ihn an. Sprach er immer in Rätseln? »Da komme ich nicht mit. Würden Sie mir das erklären?«
»Damit wollte ich sagen, dass alles Mögliche passiert sein könnte. Wenn man lange genug hier draußen unterwegs ist, trifft man auf die seltsamsten Leute, angefangen bei denen, die nach dem legendären Bigfoot suchen, bis hin zu Methköchen.«
Ihr reichten schon die Brandstifter und die potenziellen Wilderer und Minenausbeuter. »Und wie passt Ihrer Meinung nach Lisa Glass da rein?«
»Lisa arbeitet beim Wegetrupp«, erwiderte Schuler. »Und dort sind nicht unbedingt die vertrauenswürdigsten Leute beschäftigt.«
»Ich habe gehört, es wären meist jugendliche Straftäter.«
»Ja. Die Arbeit beim Wegetrupp zählt bei den Jugendrichtern als gemeinnützige Arbeit, also schwingen bei uns jeden Sommer eine Reihe Nachwuchskrimineller die Spitzhacken.«
»Aber Lisa war keine Kriminelle.« Das hatte Joe ihr erzählt.
»Stimmt.« Er rieb sich den Nacken. »Zumindest keine verurteilte. Sie muss ganz schön zäh sein. Beim Wegetrupp verdient man zwölf Dollar die Stunde, trotzdem winken die meisten ab, sobald sie rausfinden, dass sie Felsen
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