Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Summer Westin: Todesruf (German Edition)

Summer Westin: Todesruf (German Edition)

Titel: Summer Westin: Todesruf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela S. Beason
Vom Netzwerk:
nächste Zeichnung zeigte eine Szene aus dem Gemeinschaftsraum der Unterkunft, drei Jugendliche, die sich am Tisch über ein Brettspiel beugten, und zwei, die im Hintergrund unter Blackstocks Aufsicht Geschirr spülten. Sam klappte das Blatt um. Vom nächsten starrte ihr nur ein Augenpaar entgegen. Gruselig. Sie verspürte das gleiche Schaudern wie in jenem Moment, als sie auf den Wilderer getroffen war. Aber die Bilder halfen ihr nicht weiter. Immerhin wusste sie jetzt, dass Lisa eine recht begabte Zeichnerin war.
    Auch die Bibel verriet nicht viel mehr über das Mädchen. Die Umschlaginnenseite enthielt eine seltsame Widmung: Von deiner dich liebenden Familie. Auf immer vereint. Wenn Lisa eine sie liebende Familie hatte, wo steckte die dann? Wieso meldete sich niemand unter ihrer Kontaktnummer? Sam blätterte in der Bibel herum. Einige Passagen waren mit einem Marker angestrichen worden. Zum Beispiel im Alten Testament eine Zeile, in der es hieß, dass Gott dem Menschen die Herrschaft über die gesamte Tierwelt verliehen hatte. Dann einige weitere, in denen Gott oder irgendein altertümlicher Patriarch Menschen für unrechte Taten bestrafte. Sam hatte das Alte Testament mit seiner Auge-um-Auge-Mentalität und seiner Herabwürdigung der Frau zum Besitz des Manns immer verachtet. Der Gedanke, dass eine junge Frau ausgerechnet dort nach Leitlinien suchte, deprimierte sie.
    Eine aus einem DIN-A4-Umschlag herausgerissene Ecke markierte eine Stelle im Neuen Testament, die Sam in der Hoffnung aufschlug, einen etwas aufbauenderen Vers zu finden. Auf dem braunen Papier stand: F. Frazier, P . O . B. 103, Carbonado, WY , und ein Stück tiefer eine Adresse in Seattle.
    Bei der markierten Stelle handelte es sich um Psalm 23. Das Tal der Todesschatten . Bei dem Gedanken, was Lisa zugestoßen war, lief es Sam kalt den Rücken hinunter. Im Krankenhaus hatte Lisas gesamte Körpersprache darauf hingedeutet, dass sie nicht die Wahrheit sagte, zumindest nicht die ganze. Hatte Lisa Grund, sich vor dem Tod zu fürchten?
    Sam dachte darüber nach, wie es dem Mädchen gehen mochte. Sie holte ihr Notizbuch und ihr Handy heraus. Erstaunlicherweise hatte das Telefon hier sogar Empfang, wenn auch keinen guten. Sie tippte die Nummer von Lisas Krankenzimmer ein. Nachdem es dreimal geklingelt hatte, beendete Sam den Anruf. Sie wollte nicht, dass das Mädchen mühsam nach dem Hörer hangeln musste. Wieso ging derjenige nicht dran, der heute Abend bei ihr am Bett saß? Sie rief in der Krankenhauszentrale an und landete bei einer Aushilfskraft. »Ich möchte mich nach einer Patientin erkundigen«, sagte sie zu der jungen Stimme am anderen Ende der Leitung. »Lisa Glass.«
    »Lisa Glass? Die ist nicht …« Eine Stimme im Hintergrund unterbrach die Sprecherin, die daraufhin erklärte: »Tut mir leid, Ma’am, wir dürfen Ihnen keine Auskunft geben.«
    »Schauen Sie«, erwiderte Sam. »Ich bin eine Freundin. Ich arbeite für den Park Service. Noch heute Morgen bin ich bei ihr gewesen, und jetzt wüsste ich einfach gern, wie es ihr geht.«
    »Diese Information dürfen wir Ihnen leider nicht geben.«
    »Können Sie mir denn gar nichts sagen?«
    »Tut mir leid, Ma’am. Die Vorschriften verbieten es.«
    Wieder war im Hintergrund eine Stimme zu hören, dann sagte das Mädchen: »Das Gesetz verbietet es.«
    Frustriert beendete Sam das Gespräch. Nun gut. Sie würde Lisas Bibel und Zeichenblock morgen mit ins Krankenhaus nehmen. Vielleicht würde sie das aufheitern oder zum Reden bringen. Sam konnte sie nach dem Namen und der Adresse in Wyoming fragen, und ob es sich dabei um Familienmitglieder oder Freunde handelte, die sie gern angerufen hätte.
    Ein Quietschen, gefolgt vom Zuschlagen der Eingangstür, ließ sie aufhorchen. Auf dem Gang vernahm sie die Schritte schwerer Stiefel, die sich in ihre Richtung bewegten, vermutlich vom Licht angezogen, das aus dem Mädchen-Schlafraum drang. Wieder einmal sah sie sich den abschätzenden Blicken der Jungen ausgesetzt.
    »Hallo, Jungs«, sagte sie.
    Sie rückten ein wenig zur Seite, und Maya trat ins Zimmer, begleitet vom Geruch nach Holzrauch. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Wand. »Sie sind da.«
    »Ja«, erwiderte Sam, der es nicht gelang, den Gesichtsausdruck des Mädchens zu deuten.
    Wieder teilte sich die Jungengruppe, diesmal um Blackstock durchzulassen. »Wie ich sehe, haben Sie Ihr Bett bereits gefunden. Wir waren hinterm Haus. Bei halbwegs gutem Wetter machen wir immer

Weitere Kostenlose Bücher