Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)

von vierundzwanzig Stunden, als die Toilettenspülung im Bad nebenan ging. Sie hörte es und spürte es auch sofort: Brühend heiß kam das Wasser aus der Dusche. Sie schlug die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken, stellte die Dusche aus und stieg aus der Wanne.
    Perez’ Rückkehr signalisierte, dass alles unter Kontrolle war. Zumindest im Moment. Aus dem Zimmer der Fischers drang kein Laut. Sicher würden sie doch feiern, wenn Zack wieder bei ihnen wäre. Um Himmels willen, das hieß doch nicht etwa, dass der Junge tot war? Beim ersten Morgengrauen würde sie sich auf die Socken machen, um herauszufinden, was genau passiert war.
    Kurz darauf ging im Bad nebenan die Dusche an. Stieg drüben jemand in die Wanne? Sie wartete noch einen Moment und drückte dann auf die Toilettenspülung.
    »Aaargh!« Der dumpfe Schlag gegen die Wand war wahrscheinlich Perez’ Ellbogen oder das Knie. Sie lächelte.
    Die Stimme ihres Vaters meldete sich. Du solltest dich schämen, Summer. Als Strafe bemühte sie sich, die Vorstellung eines unbekleideten Special Agent Perez zu verdrängen. Mit einem Gähnen schlüpfte sie ins Bett.
    Um halb fünf weckte sie das schrille Läuten des Telefons aus dem Nebenzimmer. Sie stand auf und drückte den Wasserbecher an die Wand.
    »Sind Sie sicher, dass es seiner ist?« Perez’ Stimme klang benommen und tiefer als sonst. Etwas raschelte – er schrieb. »Powell Wanderweg – wo genau ist das?« Weiteres Rascheln, zustimmendes Räuspern, dann: »Gleich bei Tagesanbruch.« Eine Pause. »Nein, erst muss ich noch etwas anderes erledigen. Im Laufe des Vormittags. Tüten Sie den Schuh ein.« Der Hörer klickte auf der Gabel, dann murmelte Perez etwas auf Spanisch, und die Bettfedern quietschten.
    Die Suchtrupps hatten anscheinend einen Schuh am Powell Wanderweg gefunden. Von Zack? Sam rieb sich die Stirn. Hieß das, die Entführer hielten Zack im Park gefangen? Sie war zu müde, um richtig nachzudenken. Das konnte sie morgen herausfinden. Mist, es war ja schon morgen. Aber die Sonne würde erst in ein paar Stunden aufgehen, und wenn sich das FBI wieder hinlegte, konnte sie das auch tun. Sie kroch unter die Bettdecke.

8
    Als Sam aufwachte, war es fast halb neun. Nebenan herrschte Stille; Perez war fort. Nicht zu fassen, dass sie seinen Abgang verschlafen hatte. Warum hatte sie sich bloß keinen Wecker gestellt?
    Rasch zappte sie durch die Morgennachrichten. Jeder Sender verbreitete mehr oder weniger deutlich, dass Zack von einem Puma getötet worden war. Das Telefon in der Zentrale des Parks war besetzt. Sie nahm allen Mut zusammen und ging ins Internet. Zuerst auf die Website des SWF. Weise hatten sie einen Bericht von KUTV News 9 auf die erste Seite gestellt, in dem die stellvertretende Verwalterin Meg Tanner erklärte: »Wir haben das ganze Tal zweimal durchkämmt und keinerlei Beweis gefunden, dass ein Puma Zack Fischer angegriffen hat.« Das kurze Statement musste gesendet worden sein, bevor sie die Nachrichten eingeschaltet hatte; sie konnte sich jedenfalls nicht mehr daran erinnern.
    Im Vergleich zu den Hetzberichten auf anderen Seiten wirkte ihr Artikel über die Suche nach Zack recht lau. Besonders schlimm war eine Seite, die sich Sane World nannte und einen Ausschnitt von KUTV zeigte, in dem Jenny Fischer zu sehen war. »Wir hatten ja keine Ahnung, dass unser Kleiner in so großer Gefahr war«, schluchzte sie. Das Video lief in einer Endlosschleife: »Wir hatten ja keine Ahnung, dass unser Kleiner in so großer Gefahr war … Wir hatten ja keine Ahnung, dass unser Kleiner in so großer Gefahr war …« Sam hielt die elende Wiederholung an. Das Video stammte von YouTube. Na, großartig.
    Auf der Website befand sich auch der Zettel mit der Vermisstenanzeige von Zack und ein Artikel, der Sam schon nach dem ersten Absatz zum Hyperventilieren brachte.
    SWF WUSSTE VON DER GEFÄHRDUNG DURCH PUMAS AUF DEM CAMPINGPLATZ
    Wildnis Westin, Starreporterin des Save the Wilderness Fund berichtete auf der neuen Website der Vereinigung stolz, dass ein großer Puma sich häufig in jener Gegend herumtreibt, aus der der zweijährige Zack Fischer vor nicht einmal zwei Tagen spurlos verschwand.
    Der SWF stellt seit jeher das Leben wilder Tiere über das Leben von Menschen. Dieser Umstand…
    Ihr Handy klingelte. »Neuigkeiten, Babe?«, fragte Adam.
    Sie knirschte mit den Zähnen. Aber eventuell konnte sie die Berichterstattung in eine andere Richtung lenken, wenn sie ihm Informationen gab.