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Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Piejack heran, bis der Lauf der Schrotflinte den Gesichtsschutz seines Helms berührte.
    »Ich hab gesagt, ICH GEH NICHT WEG!«, brüllte der Junge.
    Dann krümmte er sich vornüber und kotzte auf Piejacks Schuhe.

24. Kapitel
    Ausnahmsweise war in Honey Santanas Kopf vollkommene Ordnung. Keine Melodien grölten. Keine Züge pfiffen. Eine seltene, willkommene Klarheit herrschte.
    Ein ungeschlachter Verbrecher hatte ihren Sohn niedergeschlagen, und darauf gab es nur eine angemessene Reaktion: Honey Santana schloss beide Hände um Louis Piejacks öligen Hals.
    Es fühlte sich richtig an, es gab einem Macht, wie Oprah vielleicht sagen würde.
    Honey wusste, wenn der Mann sie niederschoss, würde sie ihn noch im Sterben erwürgen. Fry zu retten war alles, worauf es ankam.
    Honey drängte Piejack gegen einen Baum, wobei die Schrotflinte zwischen ihrem und seinem Körper eingeklemmt wurde. Der Lauf ragte der Länge nach in ihr Dekolleté, die dreckige Mündung drückte gegen ihr Kinn. Feuerameisen begannen aus Louis Piejacks verbundener Hand hervorzuströmen, mit der er gegen seinen Schenkel schlug, bis der Verband in einer Wolke fauligen Gestanks abfiel.
    Um seine Bewegungen zu behindern, drängte sie heftiger, obgleich der lüsterne Fischhändler den groben Frontalkontakt zunächst zu genießen schien. Er zwinkerte ihr feucht zu und fuhr sich mit der fleckigen Zunge über die Lippen.
    Als Honey fester zudrückte, erstarb Piejacks höhnisches Grinsen langsam. Seine gelb verfärbten Augen traten hervor und begannen zu tränen. Bräunliche Speichelblasen quollen aus seinen Mundwinkeln, und sein stinkender Atem ging in kurzen pfeifenden Stößen. Während sie die Fingerspitzen in seinen Adamsapfel grub, bedauerte Honey es, dass sie sich letzte Woche die Nägel geschnitten hatte. Trotzdem glaubte sie sich im Stande, ihm tödliche Schäden zuzufügen, und trotz allem, was er an Medikamenten intus hatte, fühlte der Scheißkerl sich definitiv unwohl. Das merkte sie an seinem Gegurgel.
    »Mom, pass auf!« Das war Fry.
    Zu Honeys unendlicher Erleichterung war der Junge unverletzt geblieben. Der Gewehrkolben hatte einen Sprung in den Foot-ballhelm gemacht und ihn zu Boden geschleudert, doch Fry war rasch wieder aufgesprungen. Honey sah ihn ab und zu am Rande ihres Gesichtsfeldes auftauchen; er umkreiste sie und schoss immer wieder vor, um wild und wirkungslos mit den Fäusten zuzuschlagen.
    »Ich hab dir doch gesagt, du sollst abhauen!« Als sie den Mund aufmachte, um ihn anzubrüllen, klackte ihr gebrochener Kieferknochen wie eine Kastagnette.
    »Ich denk nicht dran!«, schrie Fry zurück.
    »Tu – was – ich – sage!«
    »Mom! Schau mal!«
    »Oh, Scheiße.«
    Vom Handgelenk bis zu den Schultern schimmerten ihre Ärmel vor Feuerameisen. Die Tiere flohen in Scharen von Piejack und benutzten Honey als Brücke. Zu Hunderten strömten sie ihre Arme hinunter, doch sie hatte Angst, Piejack loszulassen, um nach ihnen zu schlagen. Honey wusste, dass er nur einen Moment brauchen würde, um die Schrotflinte wieder an sich zu reißen.
    Während Fry mit einem Palmenzweig auf die Insekten einschlug, versuchte Honey, nicht daran zu denken, wo die blutroten Horden möglicherweise hinstrebten. Piejacks missgestaltetes Gesicht färbte sich durch den Sauerstoffmangel immer dunkler, trotzdem rang er sowohl mit der heilen als auch mit der verletzten Hand mit aller Kraft um die Flinte. So heftig war der Kampf, dass Honey die Ameisenkolonne nicht bemerkte, die zwischen den obersten Knöpfen ihres Hemdes verschwand. Die Bisse brannten wie heiße Säuretröpfchen, und sie fragte sich, wie viel sie wohl aushalten konnte.
    Nicht genug, wie sich herausstellte. Innerhalb von Sekunden verschlug ihr der Schmerz den Atem. Sie ließ Piejack los, riss sich das Hemd vom Leib und warf sich zu Boden. Als sie aufhörte herumzurollen, stand er keuchend über ihr und umklammerte die abgesägte Schrotflinte. Seine Schuhe stanken noch immer nach Frys Erbrochenem.
    Honey setzte sich auf und verschränkte die Arme, um ihren BH zu verbergen. Ihre Brust brannte entlang einer gewundenen Spur aus winzigen roten Bissmalen.
    »Da ist noch eine in deinen Löckchen«, krächzte Piejack.
    So zittrig er war, hatte der Mann es doch geschafft, einen seiner angenähten Finger, möglicherweise einen kleinen Finger, um den Abzug zu haken. Mit den beweglicheren Fingern seiner unversehrten Hand puhlte er sich Dreck aus den Ohren.
    Honey schnippte die Ameise aus ihrem Haar und dachte:

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