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Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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7oern des 20. Jahrhunderts strömten die Massen von Küste zu Küste durch Florida, und das Geschick der Seminolen hatte begonnen, sich auf höchst unerwartete Weise zu wandeln. Alles hatte mit ein paar Bingohallen angefangen und mit dem Wissen, dass gelangweilte Weiße wild aufs Glücksspiel waren. Bald schwärmten sie busladungsweise in die Reservate aus, und die Bingounternehmen expandierten, um Platz für Kartenspiele und Pokerautomaten zu schaffen.
    Selbst als der Stamm immer weniger Mitglieder zählte, wuchs seine Bedeutung umgekehrt proportional in einer Weise an, die die Ältesten verblüffte. Wohlstand brachte, was drei blutige Kriege den Weißen nicht hatten abringen können: Achtung. Einst als zerlumpte Heidenbande abgeschrieben, wurde die Seminolennation zu einer formidablen inkorporierten Macht mit eigener Anwalts- und Lobbyistenbrigade. Die Indianer stellten fest, dass sie vom lilienweißen Establishment der Geschäftswelt ans Herz gedrückt und von Politikern aller Gesinnungsrichtungen heiß umworben wurden.
    Manche Stammesangehörigen nannten es Gerechtigkeit, andere, wie auch Sammy Tigertail, nannten es Ausverkauf. Sein Onkel Tommy, der dabei geholfen hatte, die Casinostrategie der Seminolen auszutüfteln, respektierte das Unbehagen seines Halbblutneffen und empfand sogar Mitgefühl für ihn.
    »Mein Herz hat mal am selben Fleck gesessen«, hatte er einmal zu Sammy gesagt. »Aber dann habe ich mich eines Tages gefragt: ›Gegen wen kann man denn noch kämpfen?‹ Andrew Jackson ist tot, Junge. Seine Visage ist auf dem Zwanzig-Dollar-Schein, und davon haben wir Koffer voll in den Casinos. Jede Nacht stapeln wir sie in einen gepanzerten Lastwagen und karren sie zur Bank. Das ist besser, als auf das Grab von dem alten Scheißkerl zu spucken. Denk mal darüber nach, Junge. All die alten Feinde sind tot – Jackson, Jesup, Clinch – und trotzdem, wir sind noch hier.«
    Ja, dachte Sammy Tigertail, hier bin ich. Und riskiere meinen dämlichen Arsch, um einem Weißen zu helfen, seine durchgeknallte Exfrau zu retten.
    Der Schuss hatte sich merkwürdig angehört, wie ein Silvester-knaller in einer Toilettenschüssel.
    Skinner rannte aus Leibeskräften, den Indianer dicht auf den Fersen.
    Trotzdem dauerte es einige Minuten, die Insel zu durchqueren, so überwuchert war sie von Ranken und Unterholz. Endlich kamen die beiden Männer auf eine breite Lichtung, und Sammy Tigertail sah auf einer Seite davon sein eigenes Lager. Irgendeine üble Schlägerei war hier im Gange – Gebrüll, Ächzen, Gezappel im Schmutz und den Austernschalen.
    Niemand schien angeschossen worden zu sein, trotz des bedrohlichen Widerhalls des Schusses vorhin. Ganz kurz erwog der Seminole, zu seinem Kanu zu stürzen, denn die wilde Szene vor ihm verhieß einen unguten Höhepunkt, der sein Leben mit Sicherheit noch komplizierter machen würde. Es gab mindestens 9999 Inseln, dachte er, wo ein Mann Frieden und Abgeschiedenheit finden konnte.
    Und Sammy Tigertail wäre vielleicht auch getürmt, wäre nicht der unglaubliche Anblick von Skinners halbwüchsigem Sohn gewesen, der auf eine Gestalt eindrosch, in der der Indianer den übelriechenden Mutanten erkannte, den er mit dem Gewehrkolben plattgemacht hatte; denjenigen, den Gillian den Pflastermann und den Skinner Piejack nannte. Der Mann hatte sich beeindruckend gut von dem Schlag auf den Kopf erholt, denn es gelang ihm, gleichzeitig den Jungen abzuwehren und mit einer jugendlichen, athletisch gebauten Frau zu rangeln. Ihrem deftigen Hafenvokabular nach hielt Sammy Tigertail sie für die verschwundene Mutter des Jungen, Skinners frühere Frau. Sie und der Pflastermann kämpften um einen metallischen Gegenstand, der aussah wie eine modifizierte Schrotflinte jener groben, abgehackten Art, wie sie prollige Kriminelle und kurzsichtige Großstadtgangster schätzten. Der Seminole hörte, wie die Waffe zwei dumpfe Klickgeräusche von sich gab, als habe sich eine Patrone in der Kammer verklemmt.
    Vor sich sah er Skinner aus vollem Lauf zu Boden gehen; der Mann überschlug sich und griff sich ans linke Knie. Was als Nächstes geschah, dauerte nur ein paar Sekunden, lief jedoch mit gemächlicher, grausamer Unaufhaltsamkeit vor Sammy Tigertails Augen ab. Skinners Exfrau riss sich von Piejack los und eilte zu Skinner hinüber. Ihr Sohn machte zwei Schritte in dieselbe Richtung, ehe Piejack ihn am Knöchel packte und ihn heftig zurückriss, so dass er die Dachlatte fallen ließ, die er geschwungen

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