Sumpfblüten
hatte.
Dann feixte der Mann höhnisch und zeigte den entsetzten Eltern des Jungen die glänzende schwarze 45er, die Skinner bei dem Sturz aus der Hand geflogen war. »Na, sieh mal, wer da ist!«, kicherte Piejack, an Skinner gewandt. »Genau das Richtige! Jetzt zahle ich dir heim, was deine Latinogorillas mit meiner Hand gemacht haben!«
Als der Irre Fry die Waffe an die Schläfe setzte, bereute Sammy Tigertail es, dass er die Nerven verloren und sein Gewehr zertrümmert hatte, da er jetzt keine Möglichkeit mehr hatte, dem Wahnsinn ein Ende zu machen. Ohne sich einen Schritt von der Stelle zu rühren, machte er Inventur. Skinner lag noch immer am Boden und litt furchtbare Schmerzen. Honey hielt ihn umschlungen, flüsterte und schniefte leise. Ihr Unterkiefer war dunkelblau angelaufen und hing herab. Ein paar Meter entfernt hatte Piejack einen Arm um den Hals ihres Sohnes geschlungen; wieder sah der Junge aus, als wäre ihm übel und schwindlig. In seiner bleichen, wie aussätzig aussehenden Linken balancierte Piejack unbeholfen Skinners Halbautomatik; ein verfärbter Fingerstummel bedeckte den Abzug. Die Schrotflinte hatte er fallen gelassen, sie lag am Boden.
»Verpiss dich, Arschloch.« Endlich hatte Piejack den Seminolen bemerkt. »Das hier geht dich nichts an.«
Vielleicht hat der Scheißer ja Recht, dachte Sammy Tigertail, aber hier bin ich nun mal.
»Hau ab«, knurrte Piejack, »es sei denn, du willst dir ’n Loch im Wanst einfangen.«
Beinahe konnte der Indianer seinen Onkel sagen hören: Was hier passiert, hat nichts mit dir zu tun. Das ist bloß noch mehr verrückter Scheiß unter Weißen, sonst nichts.
»Kann ich meine Gitarre haben?«, fragte Sammy Tigertail. Er hatte die Gibson, seine innigste Verbindung mit der weißen Welt, in der Asche des erloschenen Lagerfeuers erspäht.
»Das Ding gehört dir?«, erwiderte Piejack. »Ha!«
Sammy Tigertail fiel ein Zitat ein, das er als Teenager auswendig gelernt hatte. Es stammte von General Thomas Jesup und würdigte den langen Indianerkrieg in Florida.
»Zu keinem Zeitpunkt unserer Geschichte haben wir einem so ernstzunehmenden Feind gegenübergestanden. Kein Seminole hat Verrat an seinem Land geübt, ebenso wenig ist es auch nur ein einziges Mal vorgekommen, dass sich ein großer Krieger ergeben hätte. «
Sammy Tigertails Onkel hatte gemeint, das stimme zum größten Teil. Außerdem hatte er gesagt, dass manche aus dem Stamm die Waffen fallen gelassen hätten und gerannt wären wie die Hasen; andere hätten von den US-Generälen Bestechungsgelder dafür angenommen, dass sie ihre Namen unter wertlose Abkommen kratzten.
Viele Seminolen waren große Krieger, hatte Sammys Onkel gesagt, aber manche nicht.
»Worauf wartest du? Nimm die Scheißgitarre und mach dich vom Acker«, blaffte Piejack, »bevor ich dir deinen roten Arsch wegschieße.«
Das ist gemein, dachte Sammy Tigertail. Gemein und unnötig.
Als er die Lichtung überquerte, konnte er spüren, wie der Junge ihn beobachtete. Skinners Exfrau auch. Der Seminole richtete den Blick fest auf die blonde Gibson, die in der Asche leuchtete.
»Mister, warten Sie!«, stieß der Junge hervor.
Sammy Tigertail blickte nicht auf. Er hob die Gitarre hoch und wischte sie mit einem Tuch ab. Betrübt bemerkte er eine deutliche Schmarre im Lack.
»Unterstehen Sie sich, uns einfach hier allein zu lassen«, sagte die Mutter des Jungen. »Bitte.«
Der Indianer gab keine Antwort. Er hatte sich entschieden.
»Um Gottes willen, Sammy.« Das war Mr. Skinner, der sich vom Boden hochstemmte.
Der Seminole dachte an seinen Ur-ur-Urgroßvater, Häuptling Thlocklo Tustenuggee, überlistet mit Versprechungen von Frieden und dann eingekerkert. »Manifest Destiny«, die offenkundige Bestimmung, auch bekannt als »Die Eingeborenen um ihr Land bescheißen«, war für die Weißen jener Ära ein heiliger Kreuzzug gewesen. Immun gegen Schuldgefühle oder Scham, hatten sie Leid und Tod über Mütter, Säuglinge und sogar Greise gebracht. Ein amerikanischer Präsident nach dem anderen hatte Verträge gebrochen und Lügen von sich gegeben – die Grenzenlosigkeit ihrer Täuschung war niederschmetternd.
Sammy Tigertail hatte in seinem jungen Leben noch nie eine Menschenseele verraten. Er besaß ein funktionsfähiges Gewissen, das aus jeder seiner beiden Blutlinien entstanden sein konnte. Seine Mutter war eine moralische, hart arbeitende Frau gewesen, sein Vater ein anständiger, wahrhaftiger Mann.
»Bist du irgendwie
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