Sumpfblüten
Steinkrabben, ich meine, wie krank ist das denn!«
Autos und Lastwagen stauten sich hupend hinter ihnen.
»Die Schlüssel bitte.« Honey streckte die Hand aus.
»Was – glaubst du, er hat versucht, Eindruck bei dir zu schinden oder so?«, wollte der Junge wissen. »Vielleicht war er einfach nur sauer.«
Honey seufzte und stellte den Rückspiegel neu ein, um das wachsende Chaos hinter ihnen besser betrachten zu können. Mürrisch warf Fry ihr die Schlüssel zu.
»So ist’s brav. Also, gehen wir Kajaks kaufen.«
»Von mir aus.«
Fry wusste nicht, was seine Mutter im Schilde führte, doch er fürchtete, dass sie drauf und dran war, in eine ihrer manischen Spiralen abzugleiten. Sie hatte keinen glaubhaften Versuch unternommen, einen neuen Job zu finden, obwohl der Manager des Wal-Mart zwei Telefonnachrichten hinterlassen hatte, dass sie zu einem Vorstellungsgespräch kommen solle.
In der Zwischenzeit verbrachte sie Stunden am Küchentisch und studierte Seekarten der Ten Thousand Islands. Je mehr sie davon faselte, ein Ökotour-Unternehmen zu gründen, desto mehr bereute Fry es, dass er seinem Vater nicht gesagt hatte, wie besorgt er war. Honey Santana hatte keinerlei Orientierungssinn und verfranste sich oft am helllichten Tag mit dem Auto auf Straßen, die vor Schildern nur so starrten. Auf dem Wasser war die Summe der unheilvollen Möglichkeiten unendlich.
Trotzdem versuchte Fry, optimistisch zu bleiben. Immerhin waren mehrere Tage vergangen, seit seine Mutter zum letzten Mal diesen unhöflichen Telemarketing-Fuzzi erwähnt hatte. Das konnte nur bedeuten, dass sie das A … loch bereits ausfindig gemacht (und wahrscheinlich gekreuzigt) hatte, entweder per Telefon oder per Post.
Das war gut so, dachte Fry. Sie hatte sich das ganze Gift von der Seele geschafft, ohne dass jemand zu Schaden gekommen war, auch nicht sie selbst.
Andererseits wich sie weiterhin allen Fragen nach den beiden Flugtickets aus. Fry war genervt und ziemlich misstrauisch.
»Also, wer sind diese Freunde, die du da einfliegen lässt?«, erkundigte er sich, als sie an einer Ampel hielten.
»Ich hab’s dir doch schon siebzehnmal gesagt – ich habe sie seit Ewigkeiten nicht gesehen.«
»Wart ihr zusammen auf der Highschool, oder was?«
»Im ersten Jahr.« Honey hielt den Blick fest auf den Highway gerichtet. »Aber wir sind in Verbindung geblieben. Sie schicken jede Weihnachten einen Kuchen.«
Fry wies darauf hin, dass er zu Hause noch nie einen Kuchen zu Gesicht bekommen habe.
»Weil ich die verdammten Dinger immer sofort wegschmeiße. Das Zeug lässt dir die Zähne vergammeln wie nichts«, erwiderte seine Mutter.
Ganz offensichtlich improvisierte sie aus dem Stegreif, also ließ Fry das Thema auf sich beruhen. Außerdem beschloss er, nicht zu fragen, warum sie aufgehört hatte, ihr rechtes Bein zu rasieren – er konnte sich keinen Grund vorstellen, der ihn beruhigt hätte.
Sie machten bei einem teuren Outdoor-Ausrüster halt, wo irgend so ein viel zu braun gebrannter Yuppie in Khakihose mit Bügelfalte sie davon in Kenntnis setzte, dass 1000 Dollar nicht einmal annähernd genug seien, um zwei neue ozeantaugliche Zweierkajaks zu erwerben. Beim Stöbern im hinteren Teil des Ladens stieß Honey Santana auf ein paar gebrauchte Fünf-Meter-Kajaks, ein rotes und ein gelbes. In null Komma nichts hatte sie Khaki-Jack dazu überredet, ihr beide mit Paddeln und Dachträgern für glatte 900 zu verkaufen.
»Der Kerl kann nicht älter als fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig gewesen sein«, bemerkte Honey auf dem Heimweg. »Ich fasse es nicht, dass er mich um meine Telefonnummer gebeten hat.«
»Ich fasse es nicht, dass du sie ihm gegeben hast«, knurrte Fry.
»Hab ich auch gar nicht.«
»Und wessen Nummer war das dann?«
»Ach, ich hab mir einfach eine ausgedacht.«
Wieder sagte Honey nicht die Wahrheit. Es war Perry Skinners Telefonnummer, die sie Männern gab, die sie unbedingt anrufen wollten, mit denen sie sich aber nicht treffen wollte. Eine Unterhaltung mit ihrem Exmann ließ das Interesse solcher Typen meist rasch abkühlen, hatte Honey festgestellt, während es gleichzeitig dazu diente, Perry daran zu erinnern, dass nicht alle Männer sie für völlig übergeschnappt hielten.
»Hey, du musst mir einen Gefallen tun«, sagte sie zu ihrem Sohn. »Hättest du was dagegen, ein paar Tage bei deinem Exvater zu pennen?«
»Kannst du bitte aufhören, ihn so zu nennen?«
»Die Sache ist die, ich hab meine Freunde eingeladen, im
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