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Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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fange ich ein paar Fische.« Er arbeitete schnell und rechnete jeden Moment damit, den Hubschrauber zu hören, der über dem Everglades-Nationalpark Patrouille flog. Dass er sich drei Kilometer außerhalb der Parkgrenze befand, wäre eine erfreuliche Neuigkeit für Sammy Tigertail gewesen, der weder den Namen der Insel noch die Route kannte, auf der er hierher gekommen war.
    Gillian schlang den Müsliriegel hinunter und klagte über den Kater des Jahrhunderts. »Hast du Aspirin?«
    »Schlaf dich aus«, riet der Seminole ihr ohne Mitleid.
    Er zerrte das Kanu in die Mangroven und bedeckte es sorgfältig mit den Trümmern von etwas, das wie ein verfaulter Steg aussah. Dann benutzte er das Paddel als Machete und begann, sich einen Weg hügelaufwärts durch ein Gestrüpp aus mächtigen Kaktuspflanzen zu hacken. Gillian folgte ihm und schleppte den Gitarrenkoffer. Kantige Muschelschalen knirschten unter ihren Füßen.
    Unter einem riesigen, uralten Flammenbaum befand sich ein halb eingesunkenes Bauwerk, das Sammy Tigertail als Zisterne erkannte. Es hatte ein verwittertes Blechdach, das intakt zu sein schien und nicht nur Schatten, sondern auch ein Versteck verhieß. Der Indianer war erleichtert, dass er keine Hütte würde bauen müssen, etwas, das er in der Wildnis noch nie versucht hatte.
    Ein Stück weiter kamen sie zu einer Schutthalde voller sonnengebleichter Bretter, Hohlziegel, Balken und Fensterrahmen – die Reste von Al Seelys Bleibe. In einer nahe gelegenen Senke lagen Hunderte leerer Busch-Bierdosen, älter als Gillian, die eine davon aufhob und sie betrachtete wie einen wertvollen archäologischen Fund.
    Sammy Tigertail ging zum Strand zurück, um die restliche Ausrüstung zu holen. Als er zurückkam, sah er, wie Gillian mit dem Ende des Paddels auf einen Kaktus eindrosch.
    »Ich hab gehört, in der Wüste essen sie die Dinger. Die sollen ziemlich gut schmecken«, sagte sie.
    »Wir sind hier nicht in der Sahara, Mädchen.«
    »Schön. Du bist der Indianer«, entgegnete sie. »Sag du mir doch, was man hier so essen kann.«
    Sammy Tigertail hatte nicht den blassesten Schimmer. Seit er aus der Welt des weißen Mannes ins Reservat zurückgekehrt war, war es ihm nicht gelungen, seine Schwäche für Cheeseburger, Steak und Pasta loszuwerden. Des modernen Handelswesens in Big Cypress wegen war es nicht notwendig gewesen, sich mit den Kenntnissen seiner Vorfahren in Sachen Nahrungsbeschaffung vertraut zu machen, die Süßkartoffeln angebaut und aus Palmfarn Mehl zum Brotbacken gewonnen hatten. Sammy Tigertail hätte eine Palmfarnwurzel nicht mal erkannt, wenn er darüber gestolpert wäre.
    »Später fange ich ein paar Fische«, sagte er noch einmal.
    »Ich hasse Fisch«, wehrte Gillian ab. »Einmal, als ich erst vier war, hat mein Dad einen Lachs mitgebracht, den er im Eriesee gefangen hatte, und uns allen ist echt superschlecht geworden. Meine Schwester und ich haben fünf Tage am Stück gereihert, und ich schwör’s bei Gott, die Kotze war radioaktiv oder so. Ich meine, die hat fast geleuchtet. «
    »Du redest einen solchen Scheiß«, meinte Sammy Tigertail.
    »Von wegen! Das ist wirklich passiert«, beteuerte Gillian, »und seitdem kann ich keinen Fisch mehr essen.«
    »Jetzt schon. Du machst jetzt die South-Beach-Geisel-Diät.«
    Die Zisterne war voll mit Blättern und Tierkot. Sie sah nach einem guten Versteck aus, denn es hatte ganz den Anschein, als habe sie seit vielen Jahren kein Wasser mehr enthalten. Sammy Tigertail quetschte sich durch eine Öffnung unter dem Dach, verscheuchte eine Waldmaus und verkündete: »Wir haben uns die richtige Insel ausgesucht.«
    Ohne sich von dem hastig davonhuschenden Nager beirren zu lassen, fragte Gillian: »Sind wir auf ’nem Hügel? Ich dachte, hier gäb’s keine Hügel.«
    »Der Hügel ist aus Austernschalen. Das ganze Ding.« Sammy Tigertail zog sein Hemd aus.
    »Von wem gemacht?«
    »Amerikanische Ureinwohner – aber nicht von meinem Volk. Gib mir mal das Gewehr, bitte.« Er wickelte sein Hemd um den Lauf, machte systematisch die Runde durch die Zisterne und holte Spinnweben von der Decke.
    Lange vor dem Eintreffen der Seminolen war der Südwesten Floridas vom Stamm der Calusa beherrscht worden, die zwar die Spanier abgewehrt hatten, nicht jedoch die Krankheiten, die diese mitgebracht hatten. Die eindrucksvollsten Überbleibsel der weit entwickelten Kultur der Calusa waren ihre monumentalen Austern-Abfallhalden, geschickt angelegt, um die Siedlungen vor

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