Sumpfblüten
gleich wieder da.«
»Was ist, wenn er irgendwas versucht? Wenn er mich zum Beispiel anspringt und mir die Klamotten vom Leib reißt.«
»Dann knall ihn nieder. Die Schrotflinte liegt da drüben.«
»Okey-dokey.«
»Aber ziel tief, für den Fall, dass er doch kein Geist ist. Ich bin nicht scharf drauf, mich mit noch ’ner Leiche rumzuärgern.«
»Wenn du tief sagst …«
»Die Beine.«
»Kapiert.«
Einem unüberlegten Impuls folgend, beugte Sammy Tigertail sich vor und küsste sie auf den Scheitel, dann huschte er rasch in die Nacht. Der Himmel hatte genug Mond zu bieten, dass er ohne Taschenlampe vorankam, obgleich sein Orientierungssinn so unzuverlässig war wie eh und je. Glücklicherweise war die Insel klein genug, dass es schwierig war, sich lange zu verirren. Der Seminole fand schließlich den alten Austernhügel und bezog eine Position, von der aus er den Lagerplatz und die Zisterne überblicken konnte. Die Asche des Feuers glühte schwach, und Sammy Tigertail konnte die spitzgiebeligen Umrisse zweier Zelte und ein Bündel am Boden ausmachen.
Er schlich den Hügel hinunter, und abgesehen davon, dass er einmal stolperte und das Gewehr fallen ließ, war seine Annäherung praktisch unmerklich. Aus dem hörbaren Schnarchen schloss er, dass die Paddler alle schliefen. Rasch tappte er auf die Lichtung hinaus und packte eine der Taschen.
In diesem Augenblick tauchte ein Kopf aus einem der Zelte auf. Sammy Tigertail bemerkte die Bewegung aus dem Augenwinkel, fuhr herum und fuchtelte mit dem Gewehr. Sein Herz raste.
»Ganz ruhig, Großer«, flüsterte die Frau.
»Wir brauchen Wasser!«
»Ach, und wir nicht?«
»Aber ich habe die Waffe!«, wandte Sammy Tigertail ein. »Und jetzt seien Sie still.«
»Haben Sie unsere Kajaks geklaut?« Die Frau hatte einen leichten Südstaatenakzent und helles Haar, ihr Gesicht jedoch wurde von einem Schatten verborgen. »Moment«, sagte sie und wand sich aus ihrem Schlafsack.
»Was machen Sie denn?«
»Mit Ihnen gehen.«
»Kommt nicht in Frage. Nicht schon wieder«, wehrte der Seminole wütend ab.
Die Frau erhob sich und streifte ihre Schuhe über, irgendwelche gummierten Yuppie-Turnschuhe. Sie war groß.
»Sie haben die Boote und jetzt auch noch unser letztes Wasser – ich werde den Teufel tun und hier draußen bei den anderen bleiben, nur um abzukratzen«, sagte sie.
Eine Brise strich durch die Mangroven und ließ die Blätter des großen Flammenbaumes rascheln. Die Frau verschränkte die Arme gegen den kühlen Hauch und fragte: »Also?«
Sammy Tigertail wusste, dass sie die anderen wecken würde, wenn er sie zurückließ, und die würden losziehen und den Behörden erzählen, dass sich eine diebische Rothaut auf der Insel herumtrieb.
»Ich tue alles, was Sie wollen«, sagte die Frau. »Und ich meine alles .«
Der Seminole hob den Blick zum hämisch grinsenden Mond. Die Geister schienen ihn zu bestrafen. Er argwöhnte, dass das etwas mit Wilson zu tun hatte, dem toten Touristen.
»Sie tun alles?«, fragte er die Frau.
Sie nickte.
»Dann tragen Sie die Tasche hier.«
»Ja, bwana. «
»Und seien Sie still«, fuhr der Indianer fort, »sonst schneide ich Ihnen die Zunge ab.«
Die Frau streckte das fragliche Körperteil heraus, damit er es sehen konnte; ein Perlenstecker glänzte im Mondlicht. Sammy Tigertail runzelte finster die Stirn.
»Na ja. Manche Typen fahren darauf ab«, meinte sie.
»Meine Freundin hatte so ein Ding woanders. Hat sich nicht so toll angefühlt.«
Der Indianer machte kehrt und huschte zwischen die Bäume. Er hörte, wie die Frau ihm folgte und unter dem Gewicht der Tasche schwer atmete. Er rechnete damit, dass sie zu plappern anfing wie eine Krähe, doch sie tat es nicht. Das war eine angenehme Überraschung.
30 Jahre im Fischgeschäft, kombiniert mit widerwärtig unregelmäßigen Badegewohnheiten, hatten Louis Piejack in einen unverkennbaren und unauslöschlichen Gestank gehüllt. Wäre es Rasierwasser, so enthielte die Essenz die Haut spanischer Makrelen, den Rogen großköpfiger Meeräschen, das Gedärm von Zackenbarschen, das ausgequetschte Gehirn von Langusten und die milchige Sickerflüssigkeit roher Austern. Der Dunst stieg besonders von seinem Hals und seinen Armen auf, die unter einer täglichen Dosis Kiemenschleim und Fischscheiße einen grünlich gelben Schimmer angenommen hatten. Nichts Milderes als Industrielauge hätte den Mann säubern können.
Er stank wie ein Ködereimer.
Honey Santana hätte den Geruch –
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