Sumpfblüten
den göttlichen Wassern, daselbst unser Erlöser segelt.«
»Ein andermal«, wehrte Skinner verkniffen ab.
»Sir, darf ich mich nach dem Jungen erkundigen?«, rief eine andere Frau.
»Das ist mein Sohn.«
»Ich konnte nicht umhin, den Kopfschutz zu bemerken. Ist er irgendwie leidend?«
»Ja, er leidet an der Mutter aller Scheißmigränen. Er ist mit seinem Skateboard gegen ’nen Laster gekracht.«
Bruder Manuel faltete die Hände. »Dann lasset uns für die Genesung des Knaben beten. Kommt, Brüder und Schwestern.«
Die Stöhner streiften ihre Kapuzen wieder über und stimmten einen neuen Sprechgesang an, ebenso dissonant wie der vorige. Schwester Shirelle, ohne BH einigermaßen beängstigend, führte die Truppe in improvisierten Krümmungen an.
Fry zerrte seinen Vater am Ärmel und flüsterte: »Glaubst du, die haben wirklich Schüsse gehört?«
»Vamos ahora« ,sagte Skinner.
Sie waren ungefähr 50 Meter weit den Strand hinuntergegangen, als Bruder Manuel sich aus dem Tanz löste und hinter ihnen herstürmte. »Wartet, Freunde!«, schrie er. »Moment!«
Abseits des Feuerscheins konnte Fry die Miene seines Vaters nicht erkennen. Nicht dass das nötig gewesen wäre.
»Arschloch«, hörte er ihn brummen.
»Sollen wir abhauen?«, fragte der Junge hoffnungsvoll. Er wusste, wie wenig Skinner von Predigern und Fanatikern hielt. Einmal war sein Dad einem Quartett umherziehender Zeugen Jehovas, die ihn am Krabbenkai angesprochen hatten, mit einem Feuerwehrschlauch zu Leibe gerückt.
»Siehst du, genau das ist das Problem mit der Religion, mein Junge. Die Leute können sie einfach nicht für sich behalten, sie müssen sie jedem in den Hals stopfen.« Skinner beschleunigte seine Schritte, doch der langbeinige Stöhner holte auf. »Es ist ja lange her, dass ich in die Bibel geschaut habe, aber ich kann mich nicht erinnern, dass Jesus den Leuten so auf den Docht gegangen ist.«
»Er ist fast da, Dad.«
»Ja, ich weiß.« Skinner blieb stehen und fuhr herum.
Keuchend und verschwitzt kam der hochgewachsene Stöhner mit der grinsenden, hirnlosen Zuversicht des Selbstgerechten auf sie zu. Er zog ein zusammengefaltetes Pamphlet aus seinem geklauten Hotelbademantel, das er Skinner hinhielt, als sei es die Übertragungsurkunde für eine Goldmine.
»Nichts für ungut, Sir, aber an Ihrer derben Ausdrucksweise erkenne ich, dass Sie Ihre Seele schon eine Weile nicht mehr in die Kirche getragen haben. Hier, bitte nehmen Sie das Wort Gottes.«
Fry hielt den Atem an. Langsam zog sein Vater die 45er und setzte die Mündung auf Bruder Manuels leuchtend rote Nasenspitze.
»Manny«, sagte Skinner, »ich habe selber ein Wort: Halbautomatik.«
Das Flugblatt flatterte aus den Fingern des Stöhners. »Immer mit der Ruhe«, stieß er hervor.
»Das hier ist meine Kirche«, fuhr Skinner fort, »diese Insel hier draußen und all. die anderen – so viele Inseln, dass niemand sie alle gezählt hat. Und der Himmel und der Golf und die Flüsse, die aus den Everglades fließen, das alles ist meine Kirche. Und wissen Sie was? Gott der Allmächtige oder wie immer Sein Name ist, ich glaube, Er wäre damit einverstanden.«
»Komm schon«, drängte Fry. »Gehen wir Mom suchen.«
Der Junge machte sich noch mehr Sorgen als vorher. Von den Schüssen zu hören hatte offensichtlich auch seinen Vater nervös gemacht.
»Manny, ich stelle Ihnen jetzt mal eine persönliche Frage und ich erwarte eine ehrliche, aufrechte Christenantwort«, sagte Skinner. »Sie treiben Unzucht mit Schwester Shirelle, nicht wahr? Sie haben diese junge Lady bereits auf Ihre eigene, ganz spezielle Art und Weise getauft, hab ich Recht? Haben ihr gesagt, sie soll die Augen schließen und niederknien und auf das Heil warten.«
Halb vom Mond beleuchtet, zwinkerte Bruder Manuel einmal in Zeitlupe wie eine blutarme Schildkröte.
»Dachte ich’s mir doch«, meinte Skinner. »Hören Sie – ich und mein Sohn werden jetzt verschwinden, und Sie gehen zu Ihren Leuten zurück und steppen für Jesus Christus und vergessen, dass ich Ihnen jemals unter Ihre miesen Heidenaugen gekommen bin. Kapiert?« Skinner ließ die 45er sinken.
»Amen«, stieß der Stöhner hervor und rannte davon. Seine weiße Kutte flatterte wie ein zerfetztes Segel hinter ihm her.
18. Kapitel
Boyd Shreave träumte, dass er bei Relentless arbeitete und irgendwelche gutgläubigen Trottel zur Abendessenszeit anrief. Er versuchte, Wohngrundstücke auf einer durchweichten Deponie zu verkaufen, in einer
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