Sumpfblüten
habt.«
Honey lachte. »Sie haben eine sehr hohe Meinung von sich selbst, Boyd. Ich bin sicher, Genie hat was Besseres zu tun.«
Er fühlte, wie seine Ohren heiß wurden.
»Schon mal Autos verkauft?«, wollte sie wissen.
»Klar. Buicks und Saabs.«
»Was noch?«
»Fernseher«, antwortet er. »Haustierzubehör. Orthopädische Hilfsmittel.«
»Oh mein Gott, das ist ja zum Schießen!«
Sie hat ein tolles Lächeln, dachte Shreave verbittert, für eine Irre. »Schön, dass wenigstens einer von uns sich amüsiert.«
Honey rückte näher. Sie schob das Seil über seinem Adamsapfel zurecht und strich den Kragen seines Tommy-Bahama-Hemdes glatt, das allmählich zu müffeln begann.
»Keine Angst, das hat alles seinen Sinn«, versicherte sie.
»Ich kann’s kaum erwarten.«
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit?, überlegte er. Ein Anruf unter Tausenden – und irgendeine durchgedrehte Zicke flippt vollkommen aus, spürt mir nach, lockt mich in einen Sumpf und nimmt mich gefangen.
»Haben Sie Kinder?«, erkundigte sich Honey.
»Ich bestimmt nicht. Nicht für alles Gold in Fort Knox.«
»Mutter oder Vater zu sein ist kein Kinderspiel, das ist mal sicher. Viel Glück dabei, ein Kind mit einer positiven Einstellung großzuziehen. Finden Sie sich damit ab, wir leben in einer stinkenden Scheißwelt voller Grausamkeit und Habgier und miserablen Manieren. Schauen Sie sich doch selbst an, Boyd. Sie sind ein klassisches Beispiel.«
»Nicht das schon wieder«, seufzte er.
»Doch, das schon wieder! Mein einziger Sohn wächst in einer Kultur auf, in der die Werte so verkommen sind, dass ein Ekelpaket wie Sie sich als respektabler Bürger ausgeben kann!«
Shreave fuhr zornig auf. »Ich hab nie jemandem was getan.«
»Also, reden Sie mit mir. Helfen Sie mir rauszufinden, wie Sie ticken«, sagte Honey.
»Gehen wir zuerst Genie suchen. Was ist, wenn sie in Schwierigkeiten steckt?«
»Wir stecken alle in Schwierigkeiten, Boyd. Um Himmels willen, lesen Sie denn keine Zeitung …?«
Sie wurden von einem Schuss unterbrochen; das spröde Echo verklang im Wind. Ein Schrei folgte.
Honey sprang auf. »Das sind keine Wilderer. Ich wette, das ist der Indianer.«
Und damit rannte sie los, während Shreave ihr nachbrüllte: »Lassen Sie mich hier nicht allein! Scheiße, lassen Sie mich nicht allein!«
In seiner Erregung kippte er zur Seite, so dass das Seil an den weichen Falten seines Halses scheuerte. Es tat weh, doch er schien ohne Probleme atmen zu können.
Bis eine Stimme vorn Rand der Schatten her zischte: »Keine Angst, Arschloch, Sie sind nicht allein.«
Sammy Tigertail befahl seiner neuesten freiwilligen Geisel, sich zu Gillian und dem Weißen zu setzen, der vielleicht ein Totengeist war oder auch nicht. Der Indianer behielt eine Wasserflasche und zwei Müsliriegel für sich und rationierte das, was noch in der gestohlenen Tasche war, streng für die anderen. Er hatte nicht vorgehabt, den Kajakpaddlern ihr ganzes Essen zu klauen, doch es war keine Zeit gewesen, um den Inhalt der Tasche zu sichten.
Allein zog er sich ans hintere Ende der Lichtung zurück und kauerte sich mit der Gibson hin. Er mühte sich gerade ab, die ersten Noten von »Tunnel of Love« zu spielen, als seine geisterhafte Nemesis Wilson aus dem Wald getorkelt kam. Es war das erste Mal, dass der tote Tourist erschien, während Sammy Tigertail hellwach war, und der junge Seminole war nicht darauf gefasst gewesen. Er hatte gehofft, er hätte den nörgelnden Leichnam zum letzten Mal gesehen.
Wilson sah schlimmer aus denn je. Seine durchweichten Kleider verrotteten zu Lumpen, und die Aasfresser hatten sein Fleisch in ein grausiges Flickwerk verwandelt.
»Ich hatte dich doch gebeten, mich irgendwo hinzubringen, wo’s wärmer ist« ,sagte er anklagend.
»Verschwinde«, knurrte der Indianer.
»Dieser gottverdammte Fluss ist kälter als ’ne Hexentitte. Und schau mal, was die Krabben und Barsche gemacht haben …« Wilson zeigte die grässlichsten seiner neu erworbenen Verstümmelungen vor. »Es ist einsam da draußen, Mann.«
»Ich kann dir nicht helfen.« Sammy Tigertail hatte sich noch nie so mies gefühlt. Er versagte sowohl als Einsiedler als auch als Ur-ur-urenkel eines Seminolenhäuptlings. Seine Mission, sich von der korrupten weißen Welt abzuwenden, war in jeder Hinsicht nach hinten losgegangen: Jetzt wurde er von Weißen belagert, toten und lebendigen. Er hatte sogar eine Weiße geküsst.
»Schicke Klampfe. « Wilson deutete mit einem
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