Sumpfblüten
zukünftigen Wohnsiedlung namens Lesion Hills. Östlich davon lag eine Schweinezucht, im Westen eine Dioxinfabrik und auf der dem Wind zugewandten Seite ein Krematorium. Sämtliche unerquicklichen Einzelheiten waren perverserweise in dem Verkaufsskript aufgeführt und wurden dem potenziellen Kunden mit erschreckender Aufrichtigkeit dargelegt.
Es war ein Albtraum. Jeder, den Shreave anrief, beleidigte ihn aufs Gröbste und legte auf. Als er sich umdrehte, um Eugenie sein Leid zu klagen, war er entsetzt, seine Frau in dem benachbarten Abteil zu erblicken, die ihn unflätig mit einem Taser bedrohte. Und der Traum wurde immer schlimmer: Shreave übersah, dass die letzte Nummer auf seiner Liste einer »D. Landry« gehörte, ein Desaster, das dadurch noch schrecklicher wurde, dass er die Stimme seiner Mutter erst erkannte, als er mit seinem Vortrag schon halb fertig war und einen Strom vernichtend vertrauter Beschimpfungen vernahm, die in den Worten »wertloser Haufen Bisamrattenscheiße« gipfelten.
Klatschnass geschwitzt erwachte Shreave. Ihm fiel wieder ein, wo er sich befand, wenngleich ihm das keinen Trost spendete. Seine Armbanduhr zeigte 3 Uhr 46. Er rief Genies Namen, bekam jedoch keine Antwort. Unter larvenartigen Windungen befreite er sich aus seinem Schlafsack.
Die Sterne waren golden, die Temperatur sank, und das Lagerfeuer war ausgegangen. In einer solchen Situation schien es nicht abwegig, dass man als Mann mit seiner Freundin kuscheln wollte. Shreave kroch durch die Schatten zu dem Zelt, das Genie beherbergte, nur um es leer vorzufinden.
»Sie ist abgehauen«, sagte Honey Santana und erschreckte ihn gewaltig.
»Das ist nicht witzig.«
Honeys Kopf tauchte aus dem anderen Zelt auf. »Sie ist mit einem Indianer durchgebrannt. Ich hab’s heimlich beobachtet.«
»Da fällt Ihnen doch bestimmt was Besseres ein«, entgegnete Shreave.
»Ein großer Indianer mit einem Gewehr. Ich weiß doch, was ich gesehen habe.«
»Sagen Sie mir einfach, wo sie ist.«
»Hoffnungslos«, stellte Honey fest und schloss die Zeltklappe.
Shreave brüllte wieder und wieder nach Genie. Er schnappte sich seine Taschenlampe und stampfte in den Wald, eine Entscheidung, die er rasch überdachte und rückgängig machte. Wütend stand er vor Honeys Zelt und befahl ihr, ihm zu sagen, was wirklich vorgefallen war.
»Hab ich doch schon«, erwiderte sie.
Törichterweise griff Shreave ins Zelt, packte das Ende ihres Schlafsacks und versuchte, sie daraus hervorzuschütteln. Honeys zweiter Tritt traf ihn genau am Kinn, so dass ihm die Knie einknickten. Durch grelle Schmerzfunken hindurch bemühte er sich, seinen Unterkiefer wieder auf eine Linie mit dem Rest seines Gesichts zu bringen.
»Ich nominiere Sie für die Hall of Fame der Arschgesichter«, verkündete Honey. »Allen Ernstes.«
Wieder einmal hatte Nachdrücklichkeit Shreave Pein und Erniedrigung eingetragen. Es schien zweifelhaft, dass er sich jemals in die Sorte physische Bestie verwandeln würde, auf die Frauen wie Eugenie Fonda flogen. Sein einziger Trost bestand darin, dass sie nicht hier gewesen war, um mit anzusehen, wie er einen Tritt aufs Maul kassierte.
»Das ist alles Ihre Schuld«, jaulte er Honey an, »weil Sie uns unter falschen Versprechungen auf diesen Ausflug gelockt haben. Sie sind schuld, dass sie gekidnappt worden ist.«
»Gekidnappt? Der Indianer war gerade dabei, unsere Vorräte zu klauen, als sie ihn angebettelt hat, sich mit ihm wegschleichen zu dürfen. Sie hat ihm praktisch angeboten, ihn gleich an Ort und Stelle zu vögeln.«
»Lügnerin!«
»Sie handelt schnell, Boyd.« Honey kam aus ihrem Zelt und schickte sich an, ein neues Lagerfeuer zu entfachen. »Ich hab so getan, als würde ich schnarchen, damit er denkt, ich schlafe.«
»Warum zum Teufel haben Sie denn nichts unternommen?«
»Ach Gott, ich weiß auch nicht. Weil er ein Gewehr hatte?« Sie hielt ein Streichholz an die dürren Zweige und sah zu, wie sie aufflammten. »Jedenfalls sind wir jetzt allein, also sollten wir uns mal unterhalten.«
»Worüber denn?«
»Über Sie«, antwortete Honey.
Das Thema reizte Shreave ungemein.
»Erzählen Sie mir Ihre faszinierende Lebensgeschichte«, sagte Honey, »damit ich Sie besser verstehen kann.«
»Kein Problem.« Shreave fasste ihr Interesse auf vorhersehbare Weise falsch auf. Sein Unterkiefer pochte schmerzhaft, aber wenn sie reden wollte, würde er reden. Alles, worauf sie abfuhr.
»Zuerst sollten Sie aber nicht so da knien – ach nein,
Weitere Kostenlose Bücher