Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
aufzugehen drohten.
Bei Morgengrauen kam der Wind aus Süden, feucht und warm und durchsetzt mit Regen, als ich das Kabinenboot über eine langgestreckte, flache Lagune lenkte, die zu beiden Seiten von Sumpfzypressen gesäumt war, die mit dem Fuß im Wasser standen und deren Laub sich im Wind wie ein grüner Spitzenvorhang bewegte. Kraniche erhoben sich aus den Bäumen in den rosagetönten Himmel, und im Süden türmten sich Gewitterwolken über dem Golf auf, und die Luft roch nach Salzwasser und Metall, das in der Sonne trocknet. Megan stand neben dem Ruder, eine Thermostasse mit Kaffee in der Hand. Ihren Strohhut mit dem purpurfarbenen Hutband hatte sie tief in die Stirn gezogen. Um meine Aufmerksamkeit zu erregen, packte sie mit Daumen und Zeigefinger unvermittelt mein Handgelenk.
»Der Seitenarm hinter der Ölplattform. Ist ein Stoffetzen ins Gebüsch gebunden«, sagte sie.
»Ich bin nicht blind, Megan«, erwiderte ich. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie ihr Kopf zu mir herumfuhr.
»Soll ich nicht reden, oder soll ich dich nicht berühren? Wo liegt dein Problem?« fragte sie.
Ich nahm das Gas zurück und ließ das Boot auf dem Kielwasser schaukeln und in eine Einbuchtung treiben. Das Wasser hier war von einem Blätterteppich überzogen, von Luftwurzeln durchwoben und im Flachen mit Sumpfzypressenstümpfen gespickt. Der Bug kratzte über den Grund und steckte im nächsten Moment auf einer Sandbank fest.
»Die Antwort auf deine Frage ist, daß ich gestern auf dem Filmset deines Bruders gewesen bin. Daraufhin habe ich mich entschlossen, Abstand von der Welt des großen Geldes zu nehmen. Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen«, fügte ich hinzu.
»Hab mich schon immer gefragt, was Sicherheitsleuten vor Banken so den ganzen Tag durch den Kopf geht. Stehen einfach nur da, acht Stunden lang, und starren Löcher in die Luft. Ich glaube, du hast mir endlich auf den Trichter geholfen, mir ihre Gedankenwelt erschlossen.«
Ich griff nach dem Erste-Hilfe-Kasten, sprang über den Bug ins Wasser und watete durch das Flachwasser auf ein an Land gezogenes Hausboot zu, dessen Holz vollkommen verfault war.
Ich hörte sie hinter mir ins Wasser platschen.
»Mann, o Mann, ich hoffe, daß in meinem nächsten Leben ich mal den tollen Hecht im Karpfenteich geben darf«, sagte sie.
Der Fußboden des Hausboots wellte sich über den zerbeulten und verrosteten Öltonnen, die es einst auf dem Wasser getragen hatten. Cool Breeze saß in der Ecke, in Klamotten, die er wahllos von einer Wäscheleine gerissen zu haben schien, die Schnittwunde in seinem Gesicht grob mit Nadel und Faden geflickt, sein linker Arm aufgebläht wie ein schwarzer Fahrradschlauch.
Ich hörte, wie Megans Kamera hinter meinem Rücken zu klicken begann.
»Warum haben Sie nicht die vom FBI angerufen, Breeze?« fragte ich.
»Diese FBI-Agentin will mich vor die Grand Jury stellen. Sie sagt, daß ich im Bau bleiben muß, bis sie mit mir fertig sind.«
Ich starrte auf das Elektrokabel, das er als Aderpresse benutzt hatte, auf das geschwollene Fleisch, das um die Bißstellen herum die Farbe von Fischschuppen angenommen hatte, den eitrigen Ausfluß, der grüne Spuren auf seinem T-Shirt hinterlassen hatte. »Ich will Ihnen mal was sagen. Zuerst verbinde ich die Wunde, lege Ihnen eine Armschlinge an, und dann gehen wir mal Luft schnappen«, erklärte ich.
»Wenn Sie das Kabel durchschneiden, schießt mir das Gift ins Herz.«
»Sie sind auf dem besten Weg, einen Wundbrand zu entwickeln, Partner.«
Ich sah, wie er schluckte. Das Weiß seiner Augen wirkte wie mit Jod eingepinselt.
»Sie sind ein erfahrener Knasti, Breeze. Sie wissen, daß die FBI-Typen Sie über die Klinge springen lassen. Warum wollen Sieʼs unbedingt Alex Guidry anhängen?«
Folgende Geschichte hat er mir erzählt, während ich eine Mischung aus Gift und eitriger Flüssigkeit mit einem Gummisauger aus der Wunde an seinem Unterarm gepumpt habe. Ich hörte ihm, auf ein Knie gestützt, zu, massierte die Bißstellen, fühlte, wie ihn Schmerz mit der Macht einer Kerzenflamme auf der Haut durchzuckte, und wunderte mich wieder einmal über die Naivität der weißen Rasse, die stets die miesesten Zeitgenossen an die vorderste Front schickt.
Zwanzig Jahre zuvor, unten am Teche, besaß er einen Laden an einem Feldweg, zusammengezimmert aus wahllos gesammelten Brettern, aus Blech und Ziegeln, die man wie Grind ausgetrocknet und verkrustet aus dem Fachwerk gepult hatte. Außerdem hatte er eine hübsche junge
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