Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
rauschte das Blut, und sein Herz hämmerte wie ein Amboß in der Brust.
Er wachte mitten in der Nacht auf, zog einen Mantel an und setzte sich unter die nackte Glühbirne in der Küche, stocherte in der Asche im Holzofen, zerknüllte Papier, steckte Stöckchen in die Flamme, die nicht richtig brennen wollte, während die Kälte aus dem Linoleum durch seine Socken und in die Knöchel kroch und seine wirren Gedanken sich ihm wie ein Netz übers Gesicht legten.
Was quälte ihn so sehr? Warum konnte er es nicht in Worte fassen, sich bei Tageslicht damit auseinandersetzen, es von sich wegschieben, ja es sogar ausmerzen, wenn es sein mußte?
Sein Atem vernebelte die Luft. Statische Aufladung knisterte in den Falten seines Mantels und sprang von seinen Fingerspitzen über, als er den Ofen berührte.
Er wollte Harpo Delahoussey für alles die Schuld geben. Er erinnerte sich an die Geschichte, die sein Vater, Moutʼ, ihm von dem schwarzen Mann aus Abbeville erzählt hatte, der in der Brust eines weißen Aufsehers ein Fleischermesser abgebrochen hatte, nachdem er ihn erwischt hatte, wie er es, an einen Baumstamm gelehnt, mit seiner Frau trieb, dann dem Henker ins Gesicht spuckte, bevor dieser ihn geknebelt, ihm eine Kapuze über den Kopf gestülpt und ihn auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet hatte.
Er fragte sich, ob er wohl je soviel Mut wie dieser Mann aufbringen würde.
Trotzdem wußte er, daß Delahoussey nicht wirklich die Quelle der Wut und Verzweiflung war, die ihm den Schweiß aus den Poren trieb und seine Handflächen brennen ließ, als sei er mit einem Tatzenstock gezüchtigt worden.
Er hatte seine Rolle als Hahnrei hingenommen, hatte seine Frau sogar noch zu dem Ort gebracht, an dem ihr von einem Weißen Gewalt angetan wurde (und später, von Idas Mutter, sollte er detailliert erfahren, was Harpo Delahoussey ihr angetan hatte), denn ein Leben voller Wut hatte seine Opferrolle gerechtfertigt, die Wut auf all jene, die seinen Vater gezwungen hatten, dankbar von Trinkgeldern zu leben, während ihre Zigarrenasche auf seinen Schultern zerstäubte.
Nur war seine Frau mittlerweile ein williges Opfer geworden. Vergangenen Abend hatte sie ihre Jeans und ihre Bluse gebügelt, auf dem Bett ausgebreitet, ihr Badewasser parfümiert, ihr Haar gewaschen und getrocknet und Rouge auf die Wangenknochen aufgetragen, um die herbe Schönheit ihres Gesichts noch zu betonen. Ihre Haut schien zu glühen, als sie sich vor dem Spiegel abgetrocknet hatte, mit kehliger Stimme eine Melodie summend. Er versuchte sie zur Rede zu stellen, die Auseinandersetzung zu erzwingen, aber über ihren Augen lag der Schleier heimlicher Erwartung und intimer Sinnfälligkeit, die ihn die Hände zu Fäusten ballen ließ. Als er sich weigerte, sie zum Nachtclub zu fahren, rief sie ein Taxi.
Das Feuer wollte nicht angehen. Ein beißender Rauch, so gelb wie Hanf, durchsetzt mit dem Gestank von Lumpen und chemisch behandeltem Holz, wallte ihm ins Gesicht. Er riß sämtliche Fenster auf, und Frost überzog Tapete und Küchentisch. Am Morgen roch das Haus wie ein schwelender Müllhaufen.
Sie zog einen Morgenmantel an, schloß die Fenster, öffnete die Luftklappe am Ofen, indem sie eine brennende Zeitung in den Zug hielt, und begann sich an der Anrichte das Frühstück zu machen. Er saß am Tisch und durchbohrte stumpfsinnig mit Blicken ihren Rücken, hoffte, sie würde in den Schrank greifen und eine Schüssel oder Tasse für ihn herausholen, in irgendeiner Form andeuten, daß sie noch immer die Menschen sein konnten, die sie einmal gewesen waren.
»Er hat mir gesagt, wenn du mich noch mal schüttelst, biste die längste Zeit hier gewesen, Willie«, sagte sie.
»Wer hat das gesagt?«
Sie ging aus dem Raum, ohne zu antworten.
»Wer?« schrie er hinter ihr her.
Es war der Brief, der den Ausschlag gab.
Oder der Brief, den er nicht in seiner vollen Länge las, zumindest sofort.
Er hatte den Wagen vom Laden zurückgefahren, war in seinen Hof eingebogen und hatte sie hinter dem Haus gesehen, wie sie ihre Unterwäsche, Jeans, Arbeitsblusen, Socken und Kleider, ihre ganze Garderobe, von der Wäscheleine zerrte.
Ein Brief, geschrieben mit einem Bleistiftstummel auf einem Blatt liniertem Papier, rausgerissen aus einem Notizbuch, lag auf dem Couchtisch im Wohnzimmer.
Er hörte, wie sein Atem sich im Mund hob und senkte, als er ihn in die Hand nahm.
Lieber Willie,
du wolltest wissen, wer der Mann ist, mit dem ich schlafe. Und ich sage dir seinen Namen
Weitere Kostenlose Bücher