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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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durchs Dorf, fuhr mit dem Moped mitten hinein in Gruppen spielender Kinder und lachte böse, wenn er ein paar Meter weiter wendete und noch einmal versuchte, eines von ihnen zu erwischen. Seine Nachbarn kamen gemeinsam, um mit ihm zu reden, er verjagte sie alle. Man nahm ihm sein Moped weg, schloss es für einen Tag oder für zwei in einem Stall in der Kolchose ein. Ilija machte sich in der Nacht auf, zerschlug mit einem Beil ein Fenster, stieg hinein, zerschnitt sich seine Hosen und holte sein Moped wieder zurück.
    Ein anderes Mal stand er so lange lauthals grölend vor dem Schlafzimmerfenster des Verwalters, bis der wütend nachgab und ihm das Fahrzeug wieder aushändigte.
    Es war der Vorabend ihres fünfzehnten Geburtstages.
    Julka kochte Tee. Sie brachte zwei Becher nach draußen. Ilija saß auf der Bank vor dem Haus und starrte auf irgendeinen Punkt am Boden zwischen seinen Schuhen. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und zitterten. Julka öffnete seine Finger behutsam, schob den Teebecher hinein und schloss sie um das warme Gefäß. Dann setzte sie sich mit dem zweiten Becher in der Hand zu ihm.
    Die Hühner pickten um sie herum, auf der Suche nach heruntergefallenem Brot. Bald würde die Sonne untergehen, die ersten Mückenschwärme hatten sich erhoben.
    Da sah Ilija seine Tochter an. Mit schmutzverkrusteten Händen strich er über ihr Haar. Und zwischen Erstarrung, Beklemmung, Trauer und serbischen Straßenstaub stahl sich Ilijas lang vergessenes Lächeln auf sein zerknittertes Gesicht.
    »Weißt du noch, wie du geboren wurdest?«, fragte er.
    »Nein«, flüsterte Julka mit Tränen in den Augen.
    »Für den Abend deiner Geburt war Sturm angekündigt«, begann Ilija. Julka rückte näher an ihn heran.
    »Es war heiß, eigentlich zu heiß für einen Frühsommer, wir waren draußen auf dem Feld für den zweiten Schnitt, die Frauen wollten zu Hause Wurst kochen. Deine Mutter war an diesem Tag besonders schön, musst du wissen, sie war besonders schön. Merk dir das.«
    Julka nickte.
    »Die Hebamme ist eine Hexe gewesen«, sagte er in verschwörerischem Ton.
    Julka kannte jedes Wort seiner Geschichte auswendig.
    »Eine Hexe. Sie hat deine Mutter verzaubert. Sie hat ihr Kräuter gegeben, um es ihr schwer zu machen. Hat behauptet, es hilft, aber wie du ja ganz genau weißt, wärest du daran beinahe gestorben.«
    Ilija kramte in seinen Taschen vergeblich nach einer Zigarette. Als er versuchte, die ledernen Schnüre an seinem Tabaksbeutel zu öffnen, nahm ihm seine Tochter den Beutel rasch aus der zittrigen Hand. Geschickt begann sie, ihm einen kleinen Vorrat zu drehen.
    »Willst du auch?«, fragte Ilija.
    Julka wollte nicht ablehnen und nickte.
    Gemeinsam rauchten sie.
    Ihr wurde schlecht.
    »Du musst tief atmen, dann geht es weg«, sagte Ilija.
    Julka atmete tief. Ein und aus.
    »So hättest du nach deiner Geburt atmen müssen, meine Kleine«, sagte Ilija lächelnd, »dann hätte dich die Alte nicht auf den Mist hinausgetragen. Stell dir vor! Ein Neugeborenes trägt die Alte einfach auf den Mist! Und ich muss es wieder reinholen. Stell dir vor, es wäre genug Feuerholz da gewesen, wir hätten dich nie gefunden. Du wärst so schnell wieder im Himmel zurück gewesen, die da oben hätten nicht mal Zeit gehabt, deine Flügel wegzuräumen«, sagte Ilija. »Die wären noch warm gewesen.«
    »Das wären sie«, sagte Julka.
    »Hab ich dich vom Mist geholt, dich gebadet und dir dein Taufkleid angezogen. Wir wussten ja nicht, wie lange du leben würdest, wenn du schon keinen Laut machst und keinen Atemzug tust.«
    Ilija grinste seine Tochter an.
    »Hat ja nun wirklich keiner ahnen können, dass ich Jahre später hier sitze und dir in deine wunderschönen Augen schauen kann.«
    Julka lächelte verlegen. Ihr linkes Auge betrachtete dabei den rot eingefärbten Abendhimmel, das rechte streifte scheu Ilijas Gesicht. Gleich würde die Geschichte zu Ende sein. Es war das erste Mal seit Biljanas Tod, dass Ilija sie erzählte. Seine Augen leuchteten.
    »Tagelang haben wir gefeiert, deine Mutter und ich.«
    »Und Marek«, sagte Julka.
    »Und Marek«, bestätigte Ilija.
    »Tagelang. Dich und deine Kraft. Vergiss nie, welche Kraft du hast«, sagte er und sein Ton klang verändert.
    Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Seine Arme legte er ausgebreitet auf die Rückenlehne der Bank.
    »Kraft, die ich nicht mehr habe, Julka. Ich will mich kaum noch aufrecht halten, seit deine Mutter tot ist. Ich weiß nicht, wofür ich

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