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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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Einkommen. Was machten da also zwei Jahre?
    »Willst du nicht heiraten?«, fragte Edita.
    »Wen denn?«, fragte Julka lachend zurück.
    Wenigstens lacht sie, dachte Edita, und recht hatte sie, wen denn? Wer wollte schon eine Frau, die aussah, als könnte man sie im Vorgarten als Vogelscheuche benutzen?
    »Alle Knochen wird sich der brechen, der versucht, ihr nahezukommen«, sagte Milo immer, und Edita fuhr ihm über den Mund, was er sich da rausnähme, sie sei noch ein Kind!
    »Ein Kind«, rief Milo und lachte, »nur weil sie keine Brust hat, ist sie doch lange kein Kind mehr, Edita.«
    Wenn sie wenigstens nicht auch noch so vorlaut wäre, dann könnte man sehen, ob man einen findet, der sie ein bisschen füttert, und manche wurde ja weicher mit der Zeit, wenn Kinder kamen, aber Julka ließ sich überhaupt nichts sagen.
    »Julka ist klug«, sagte Milo, »klüger, als du denkst, Edita, sie ist nicht vorlaut.«
    »Sie wird sich eines Tages um Kopf und Kragen reden, ich weiß das, ich spüre das«, sagte Edita dann.
    An all das dachte die Tante, als sie Julkas Entschlossenheit spürte, die sich mit jedem Wort, das sie gegen dieses Deutschland fände, verstärken würde. Sie spricht kein Wort Deutsch, dachte Edita, und dann dachte sie, ist vielleicht gut so, dann redet sie nicht so viel, und zwei Jahre, gut, die gehen vorbei, gehen die nicht vorbei? Waren nicht viele Töchter und sogar alle von Milos Nachbarin schon dort? Schickten die nicht regelmäßig Geschenke, manche sogar Geld? Hörte man nicht, dass sie glücklich waren, dass es Wohnheime gab, in denen sie lebten? »Mit Nonnen«, hatte eine ihrer Mutter geschrieben. Gegen Nonnen konnte man nun wirklich nichts haben.
    »Ich kann dir keine Vorschriften machen«, sagte Edita, »ich bin nur deine Tante. Aber eines solltest du wissen: Wenn du einmal hier weggegangen bist, gibt es kein Zurück mehr. Ich rate dir also, nichts zu tun, was du bereuen wirst. Verstehst du das?«
    Julka schüttelte den Kopf.
    »Warum sollte ich nicht zurückkommen?«
    »Hast du eine von denen, die gegangen sind, je wieder­gesehen?«, fragte Edita und versuchte, die Tränen herunterzuschlucken.
    »Hast du das?«
    »Nein«, sagte Julka trotzig, »habe ich nicht. Aber was weißt du denn von mir, ich komme zurück.«
    »Du wirst nicht zurückwollen in deine Heimat, du hast hier ja nur Marek und deine dumme alte Tante. Hätte ich doch bloß Dragan sein Geld nicht zurückgegeben, dann würdest du bei uns bleiben.«
    Jetzt weinte sie.
    »Du hast was?«, fragte Julka.
    »Dragan hat deinen Eltern Geld geliehen, damit du auf die Schule gehen und Ärztin werden kannst«, sagte Edita. »Hast du das nicht gewusst?«
    »Nein«, sagte Julka.
    »Dragan hat auch den Arzt bezahlt, als du krank warst«, sagte Edita schluchzend.
    »Warum?«, fragte Julka.
    »Wir wissen es nicht genau. Eine Partisanengeschichte. Biljana hat ihre Geheimnisse gehabt und die hat sie mit ins Grab genommen.«
    Edita wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und stand auf. Sie öffnete nacheinander alle Schranktüren und stapelte Brote, Würste, Schmalztöpfe, Gläser mit Marmelade und Kompott und eingelegtem Gemüse auf den Tisch.
    »Was machst du da?«, fragte Julka.
    »Wann geht dein Bus?«, fragte Edita, die ihre Nichte gut kannte.
    »Morgen früh«, sagte Julka sehr leise.
    »Siehst du, du wirst Essen brauchen.«
    »Du bist nicht böse?«, fragte Julka.
    »Nein«, sagte Edita und förderte ungerührt mehr und immer noch mehr Essen zutage, »wahrscheinlich hätte ich mich ebenso entschieden.«
    »Ich komme wieder«, sagte Julka.
    »Dir wird das Leben in Deutschland viel zu gut gefallen«, sagte Edita. »Und jetzt geh, pack deinen Koffer.«

Dritte Nacht
    Mir sind gestern mitten in der Nacht die Augen zugefallen. Das war aber auch ganz gut so, ich kann jede Minute Schlaf gebrauchen.
    Bald ist Heiligabend, und fast hätte dein kluger Bruder die Geschenke gefunden. Ich hatte nicht mit seiner Zielstrebigkeit gerechnet. Tom ist mit einem großen Paket nach Hause gekommen und hat geheimnisvoll getan. Ich durfte es jedenfalls nicht aufmachen. Als er die Treppe hin ­­unterging in den Keller, hat es leise geklappert, und dieses Geräusch hat mich an etwas erinnert, aber ich bin nicht draufgekommen, woran.
    Zum Glück hat Cem die Gastgeschenke für unsere Neffen und Nichten schon vorausgeschickt, ich würde sicher die Hälfte hier vergessen.
    Sonst ist heute nicht viel passiert, und ich bin ehrlich gesagt ziemlich froh darüber. Doch,

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