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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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ausgesprochen war und das deutsche Arbeitsamt bemerkte, dass sich über­raschenderweise immer mehr deutsche Arbeitgeber dafür aussprachen, die Aufenthaltserlaubnis nicht mehr auf zwei Jahre zu befristen, weil sie es leid geworden waren, ständig neue Hilfskräfte einzuarbeiten. Billig blieben sie ja, da konnte man sie ebenso gut einfach behalten.
    Jeweils am Ende der Woche gab es Lohn.
    Julka ging mit ihrem ersten Geld direkt in die Stadt, steuerte die einzige Buchhandlung an und kaufte sich ein Wörterbuch, ein Vokabelheft und eine Packung Bleistifte. Heft und Stifte trug sie in der Tasche ihres Kittels stets bei sich. Jedes Wort, das sie beim Putzen auf den Krankenhaus­fluren aufschnappte, schrieb sie in eine Spalte ihres Vokabelheftes und schlug es nach Feierabend im Wörterbuch nach. Wenn sie ein medizinisches Wort nicht übersetzen konnte, ging sie so lange im Haus umher, bis sie einen Arzt gefunden hatte, der es ihr erklären konnte.
    Als sie fand, sie hätte genug gelernt, legte sie sich mit der Oberin an. Sie ging zur Krankenhausleitung und verlangte Türen für die Schlafräume. Sie setzte sich durch.
    Sie erstritt eine Teeküche mit zwei Kochplatten und erhielt die Erlaubnis, dass alle Arbeiterinnen, »unter Beachtung der Sicherheitsbestimmungen insbesondere im Hinblick auf den Brandschutz«, dort kochen durften.
    Ein Jahr lang wischte sie Krankenhausflure in Deutschland und stritt mit der Oberin. Ein Jahr lang sparte sie ihr Geld, um es nach Hause zu schicken, zu Tante und Bruder. Ein Jahr lang ertrug sie die Enge (und freute sich manchmal über die Gemeinschaft) in ihrem kleinen Zimmer, das sie noch immer zu dritt teilen mussten.
    Ein Jahr lang ging sie mit den Kolleginnen in den wenigen Arbeitspausen zum Rauchen auf einen winzigen Balkon im siebten Stock des Krankenhausgebäudes und sah durch die Scheiben der gegenüberliegenden Intensivstation den Deutschen beim Sterben zu.
    Manchmal dachte sie an zu Hause, an ihren Vater und ihren letzten Abend mit ihm. An den Streit, den sie mit der Tante seinetwegen gehabt hatte, denn sie hatte ihn nicht seinem Schicksal überlassen wollen. »Es wird nicht besser, wenn du dein Leben dazuwirfst«, hatte die Tante gesagt. Aber wenn der Herbstnebel allzu dicht über der Stadt lag und Julka genug hatte vom Kauderwelsch unter den Kolleginnen und den sperrigen deutschen Wörtern, fand sie keine Antwort für sich, warum sie nicht einfach ihre Tasche packte und zurückging.
    Einmal träumte sie davon, dass einer kam und ihre Hand nahm und sagte, dass er sie liebe und mit ihr überall hingehen wolle, aber sie sagte sich nach dem Aufwachen, nur Heimweh schicke solche Träume.
    Manchmal ging sie sogar zur Kirche, nicht zur orthodoxen Messe, das gab es hier nicht, die katholische musste reichen – aber so recht konnte sie nicht an einen Gott glauben. Sie ging nur hin, weil es sie wenigstens ein kleines bisschen an zu Hause und an ihre Eltern erinnerte. An einem Sonntag hatte sie einen Zettel aus der Messe mitgenommen mit einem Text darauf, der ihr gefiel.
    Wen die Liebe erfasst hat, der kennt ihr Feuer. Sie ist die Flamme Gottes!
Mächtige Fluten können sie nicht auslöschen,
gewaltige Ströme sie nicht fortreißen.
Unüberwindlich wie der Tod, so ist die Liebe.
    Der Text hieß das »Hohelied«, und auch wenn sie nichts mit dem Titel anfangen konnte, berührten sie die einfachen Worte, so dass sie sie immer wieder las und schließlich auswendig wusste.
    »Schau hier«, sagte eine Kollegin eines Tages und zog eine Zeitung aus ihrer Schürze.
    »Stellenanzeige«, las Julka.
    »Sie suchen Schuhmacherinnen.«
    Julka schrieb eine Karte an das Personalbüro. Daraufhin kam eine Frau Jost (gemeinsam mit der Oberin) ins Wohn­heim.
    »Sind Sie Frau Lukic?«, fragte Frau Jost.
    Die Oberin war bereits tiefrot im Gesicht.
    »Wir suchen Arbeiterinnen für die Fertigung von Ski­stiefeln«, sagte Frau Jost.
    »Das kann ich«, sagte Julka schnell.
    »Wie lange sind Sie schon hier?«
    »Ein Jahr, einen Monat und siebzehn Tage«, sagte Julka, wie aus der Pistole geschossen.
    »Wann können Sie anfangen?«
    »Sofort«, sagte Julka, ohne zu zögern.
    Zornig starrte die Oberin sie an.
    »Gut«, sagte Frau Jost und reichte ihr einen Arbeitsvertrag. Sie schrieb außerdem die Abfahrtszeiten der Züge auf einen Zettel und legte ihn dazu.
    »Die Fahrt dauert eine Stunde«, sagte sie, »melden Sie sich bei mir, wenn Sie angekommen sind.«
    Julka packte ruhig ihre Tasche, verabschiedete sich

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