Suna
in ihr Haus in der Heimat stecken, bis das Kind da ist, das sie sich so wünschen.
»Solange wollen sie in Deutschland bleiben«, sagt Julka, weil nur in Deutschland Ärzte sind, die nichts kosten. Zu denen man gehen kann, und die schauen rein in die Frauen und können sogar bei den Männern nachsehen, ob da was rauskommt.
Die Bulgarin prustet los. »Das kann ich auch«, sagt sie, und Julka begreift, was sie gesagt hat, und lacht mit. Als sie weiterfahren, setzt sich die Bulgarin auf den freien Platz neben Julka.
»Bleibst du lang in diesem Haus?«, fragt sie.
»Nur bis die Fensterläden da sind und die Küche eingebaut ist«, sagt Julka.
»Also lange«, sagt die Bulgarin, legt ihren Kopf auf Julkas Schulter und schläft ein.
Von Kamil hat Julka nichts gesagt. Dass er im selben Dorf wohnt beispielsweise.
In Sofia trennen sie sich.
»Wie weit bist du?«, fragt Julka, und die andere wird blass.
»Wie hast du es gemerkt?«
Julka lächelt nur verschmitzt.
»Ich kenn mich aus«, sagt sie, »ich komme vom Land.«
»Ich will es wegmachen lassen.«
»Das darfst du nicht«, sagt Julka da aufgebracht. »Du darfst kein Kind töten. Das Recht hast du nicht. Es ist von Gott gekommen.«
Die andere lächelt, ein bisschen schief.
»Gott hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt«, sagt sie, »schöner. Und reicher.«
»Liebst du den Vater nicht?«
Da weint sie wieder.
»Liebst du ihn, findet sich was. Liebst du ihn nicht, liebst du stattdessen das Kind. Aber töten darfst du es nicht. Versprich es mir.«
Die andere verspricht es.
»Und jetzt geh ich zum Fahrer und zwinge ihn, den Eimer auszuleeren«, sagt Julka und wendet sich ab.
Verabschieden will sie sich nicht, und sie ist sicher, dass die andere ihr Versprechen schon in wenigen Minuten ver gessen hat. Wenn sie zum Beispiel ihrer Mutter gegenübersteht, die auf das Geld aus Deutschland angewiesen ist, jetzt noch mehr als vor einem Jahr, weil die Deutschen sich neue Bestimmungen ausgedacht haben und keiner mehr einreisen kann in die BRD , wenn er nicht jemanden findet, der einen heiraten will, so sagen es wenigstens die anderen. Aber wer hat schon das Geld dafür, das der ein oder andere dafür nimmt?
Magdalena konnte sich vorstellen, mit Johannes ihr Leben zu verbringen. Bis hin zu den Manschettenknöpfen war er eine vollendete Erscheinung. Nie hatte er Wasserflecken auf den Schuhen, immer lag ein zweites Paar im Wagen, »für alle Fälle«.
Zwar hatte sie im Sommerurlaub seine Avancen energisch abwehren und solcherlei auf einen unverrückbaren Zeitpunkt verschieben müssen (»Nicht vor der Ehe!«), aber an seiner Seite konnte sie zu Konstantin und dessen Stellung aufschließen. Ein Naturwissenschaftler entsprach im Ansehen fast einem Ingenieur. Und wenn erst ein Kind da wäre …! Dann könnte sie eine Mutter sein, am liebsten genau wie Märthe .
In dieser Angelegenheit hielt Johannes sich zwar äußerst bedeckt, aber Magdalena erklärte es sich mit seinem Respekt für ihre klare moralische Haltung.
Giese war übrigens sehr einverstanden gewesen mit der Idee ihrer Tochter, einen »zukünftigen Professor« zu heiraten, und sei er noch so evangelisch, wie Märthe zweifelnd zu bedenken gab.
Giese ging es überhaupt gut. Seit dem Tod ihres Mannes verbrachte sie die Winter vorzugsweise an der ligurischen Küste, wo sie ein Ferienhäuschen gekauft hatte. Das Geld dazu stammte von einem kleinen abgegriffenen Sparbuch, das kurz nach Gustavs Beerdigung in der Post gelegen hatte. Ohne Begleitschreiben, jedoch mit einer ganz frischen, sehr hohen Einzahlung darauf. Offenbar beherrschte da jemand die Zinsrechnung. Seit sie ganz auf sich gestellt war, hatte sich zudem ihr Gesundheitszustand erheblich gebessert.
Eines Morgens kurz vor Weihnachten brachte der Postbote ein Päckchen von Johannes für Magdalena. Schon beim Öffnen konnte sie sehen, wie ausgesucht die Pralinen waren, die einzeln in ihren Schälchen aus Goldpapier ruhten, und sie war bis in ihr Innerstes berührt.
Sie fand den Verlobungsring erst nach dem Dreikönigsfest (und nachdem Johannes mehrfach nachgefragt hatte), so geduldig und beherrscht war sie sogar beim Genuss geschenkter Köstlichkeiten.
Die Hochzeit war genau so, wie Magdalena es sich erträumt hatte. Sie trug ein schlichtes, aber exklusives Brautkleid mit langer Schleppe. Konstantins Kinder warfen nach dem Gottesdienst, der – und das war der einzige Kompromiss – ein evangelischer gewesen war, Blumen für das Brautpaar. Ein
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