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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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geweckt vom allerleisesten Geräusch. Der Geruch von Johannes ’ Pfeifenrauch verursachte ihr heftige Beklemmungen, aber sie sagte nichts und befasste sich stattdessen mit dem Arrangement ihrer Zimmerpflanzen, um sich unauffällig in der Nähe der geöff­ neten Fenster aufhalten zu können. Von der Zugluft bekam sie Infekte in der Stirnhöhle, die einmal sogar aufgebohrt werden musste, so schlecht lief der Eiter ab.
    Sie begann, die Wochenenden mit Johannes zu fürchten, besonders seine Heftigkeit, wenn es im Gespräch mit Gästen um die aktuelle Lage in der deutschen Innenpolitik ging und »die terroristischen Spinner«, die die Straßen unsicher machten. Dann bereitete sie oft besonders komplizierte Speisen vor, um bei ihrem Radio in der Küche bleiben zu können, das konnte sie wenigstens leise drehen.
    Schließlich meinte sie, aus Gesprächen mit Giese allmählich herauszuhören, dass Giese ihr in Wahrheit ein Kind nicht gönnte. Dass Giese sich freute, dass Magdalena keine Kinder hatte. Wie sonst sollte sie sich erklären, dass ihre kinderreiche Schwägerin in jedem Gespräch vorkam? Die jetzt zusätzlich zu den fünf Kindern, dem Haus und dem »sehr anspruchsvollen Beruf« ihres Mannes wieder angefangen hatte zu arbeiten, »weil sie Lust dazu hatte«.
    Was zählte es, dass Johannes Abend für Abend geduldig zuhörte ( tat er das wirklich? Er spielte das doch! ), wenn sie von ihren Nachbarinnen sprach, die drei- und vierfache Mütter waren.
    Johannes, der sonntags noch immer tadellos gekleidet am Mittagstisch erschien, ihr Essen lobte, ihren Kuchen probierte. Glücklich war und blieb über die häusliche Ordnung, die Sauberkeit und ihren Sinn für Inneneinrichtung und Dekoration, aber (doch auffallend oft) freitags vom Institut aus anrief, er müsse zu Irma. Nach den Regenrinnen sehen, eine abgesenkte Treppenstufe im Garten richten oder für Thea eine Zeichnung anfertigen für einen ihrer Zeitschriftenbeiträge.
    Die Ehe hatte in Magdalenas Augen nichts zum Guten gewendet, im Gegenteil. Sie hatte ihre Autonomie aufgegeben und sich in eine Nähe zu einem anderen Menschen begeben, die sie sich früher, in ihrem Kinosessel, so wunderbar leicht vorgestellt hatte. Die richtigen Themen, die richtigen Kleider, das richtige Parfüm bewirkten jedoch in Wahrheit überhaupt nichts.
    Das Schlimmste aber waren die Erinnerungen. Lange hatte sie nicht daran gedacht, aber jetzt konnte sie bei Johannes’ Berührungen nicht mehr atmen, weil sein Geruch sie daran erinnerte und Bilder weckte, alptraumhafte Sequenzen vom Fliegeralarm und von Händen, die nach ihr griffen und sie unbekannte Kellertreppen hinabstießen. Fremde Stimmen, die sagten »die Mutter kommt gleich«, und dann hörte man schon die ersten Detonationen.
    Das ging schnell in manchen Nächten.
    Die Mutter, die nicht kam, weil sie mit den Brüdern bei den anderen Nachbarn untergekommen war, aber Magdalena war doch erst drei Jahre alt und wusste das nicht.
    Die drangvolle Enge und der Schweißgeruch der anderen nahmen ihr sogar in der Erinnerung noch den Atem und setzte sich wie eine enge Klammer um ihre Brust.
    Die Mutter kam nicht.
    Eine Schwangerschaft wollte sich nicht einstellen.
    »An Johannes liegt das nicht«, sagte Irma, als sie Johannes’ fünfunddreißigsten Geburtstag feierten.
    »Wir sehen keine ausreichende Mobilität«, sagten die Ärzte nach einem Blick in ihre Mikroskope und meinten ausdrücklich nicht Magdalena.
    »Wir haben hier ein Zwillingspaar«, sagte Frau Weigand vom Jugendamt, Fachbereich Adoption.
    Zusammen mit den Untersuchungsergebnissen von Johannes ’ Spermien hatte ihnen die Sprechstundenhilfe ein Informationsblatt des örtlichen Jugendamtes in die Hand gedrückt und ihnen geraten, dort einen Termin zu vereinbaren. Frau Weigand sei eine äußerst kompetente Frau in Sachen Pflegekinder und Adoption.
    Johannes hegte Zweifel.
    Man konnte nämlich nicht sagen, dass er unglücklich gewesen war über die Kinderlosigkeit seiner Ehe, es war nur für einen äußerst kurzen Moment unangenehm gewesen zu erfahren, dass die Ursache dafür in seinem Körper lag.
    Thea hatte die Berichte gelesen und ihm glaubhaft ver­sichert, dass er der medizinischen Lage nach auf keinen Fall mit eigenen Kindern rechnen könnte. Wahrscheinlich hatte er seine Betrübnis darüber nicht sehr überzeugend gespielt.
    »Denk auch an deine Frau«, hatte sie nämlich gesagt.

Vierte Nacht
    Ich bin unendlich müde. Bis um drei Uhr morgens sind wir im Haus unterwegs

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