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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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Seesack packen, um wie Thoreau im Wald zu leben, die Kinderpsychologin hatte keine großen Erfolge erzielt.
    »Du bist zu zynisch für dein Alter«, sagte sie. »Und zu allein.«
    Sie meldete mich, ohne mich gefragt zu haben, an ihrem ehemaligen Internat an.
    Ich verabschiedete mich von Magdalena und Ruth.
    »Mach ’ s gut, Luisa«, sagte meine Mutter und weinte.
    »Mach ich«, sagte ich und weinte nicht.

Sechste Nacht
    Heute hat das Weihnachtstauwetter eingesetzt, und das Wasserrohr ist wegen der Temperaturschwankungen in der Wand geplatzt. Der Hausbesitzer ist gekommen und bald stand fest, dass wir nicht mehr lange hier bleiben können, weil eine Sanierung unbezahlbar ist.
    Wenn wir zurück sind aus Yozgat (oder wo auch immer wir bei unseren Verwandtenbesuchen schließlich landen werden), müssen wir mit der Suche nach etwas Neuem beginnen.
    Bis vor wenigen Wochen hätte ich auf der Stelle im Internet nach neuen Optionen gesucht, Anzeigen geschaltet, wahrscheinlich schon die Umzugskartons bestellt, falls welche günstig zu haben gewesen wären, nur für den Fall, und hätte allen um mich herum, einschließlich mir selbst, das Gefühl gegeben, dass die patente Luisa auch in einer solchen Situation um keine Lösung verlegen ist.
    Ich habe viel in dieses Haus investiert. Ich war es, die tagelang neue Böden verlegt hat und Treppengeländer gestrichen. Ich habe unsere Vorhänge genäht und unsere Deckenbalken aus ihren Styroporsärgen befreit. Es war meine Idee gewesen, den alten Spülstein aus der Scheune in die Küche zu schleppen und die Rigipsplatten vor den Wänden zu entfernen, damit sie wieder krumm und schief sein konnten, wie sie es schon immer gewesen waren. Es sollte unser neues Zuhause sein, vielleicht sogar überhaupt erst ein Zuhause.
    Nie zurückschauen, wie Lots Frau es getan hatte, denn war sie nicht bitter bestraft worden? Hatte die Anweisung nicht gelautet: »Bleibt nicht stehen und seht nicht zurück«?
    Warum hatte sie sich umgesehen, als ihre Heimatstadt zerstört wurde? Aus Schmerz?
    Nein, so bin ich nicht gewesen. Da gab’s kein feiges Zurück. Immer mitten rein, die Luisa. Nach Berlin ohne Job? Kein Problem. Schwanger mit Toms Kind? Brechen wir die Zelte eben wieder ab und ziehen zu ihm, ohne Geld. Wir haben ja einander. Und wenn wir einander nicht haben, sie fällt ja doch immer auf die Füße.
    Aber dünn ist sie geblieben, dünn und immer auf dem Sprung, nie am Ort und nie im Moment. Immer mit etwas befasst, das sie abhielt von dem, was im Jetzt möglich war.
    Nur für eine kurze Weile nicht. Und das war, als ich deinen Vater das erste Mal traf.
    Inmitten meiner Kreise
    Es war an einem Sonntag.
    Halb eingefunden hatte ich mich in meiner neuen Klasse und zwischen den anderen Mädchen im gemeinsamen Zimmer. Halb eingefunden in der klösterlichen Tagesordnung mit frühem Aufstehen und Andacht nach dem Frühstück, Unterricht schon um Viertel nach sieben. Halb eingefunden auch in der Nähe, die wir zueinander hatten, weil Heimwehtränen am Abend und kleine Tassen mit tröstendem Tee stärker verbinden können als manches Geschwisterband.
    Ich sprach Worte, die verstanden wurden, fand Sätze, die zum Lachen brachten. Darin war ich geübt. Ich legte sogar einmal meinen Arm um eine Schulter – und es ging, ich hielt es aus, berührt zu werden und zu berühren.
    Als ich an jenem Sonntagnachmittag durch die Gänge stromerte, mal hier und mal da in den Studierzimmern der anderen vorbeisah, sie leer vorfand, weil die Sonne schien und die meisten wahrscheinlich spazieren waren, auf dem Philosophenweg oder oben am See, da hörte ich das erste Mal die Musik deines Vaters.
    Jeder von uns sang im Chor und musizierte im Orchester. Viele spielten Klavier, manche konzertreif.
    Dies hier war anders. Es war kein Stück, das ich kannte. Ich ging der Musik nach und stand schließlich vor der Tür zum Refektorium. Darin stand ein Flügel, und Stuhlreihen waren aufgebaut, weil der Raum für Konzerte genutzt wurde, ebenso wie für Schulfeiern und Ansprachen des Direktors, die leider nicht so kurz und klug ausfielen wie die eines Schuldirektors, der mitsamt seiner Zaubererschule erst noch erfunden werden musste.
    Ich drückte die Klinke vorsichtig herunter, sie quietschte leise. Tom sah auf, ohne die Musik zu unterbrechen. Er trug einen schwarzen Hut und neonfarbene Hosenträger zu einem Hemd, das irgendwann sicher weiß gewesen war. Um den Hals hatte er ein rotes Tuch geschlungen, mit einzelnen silbernen Fäden

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