Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
ihm:
›Es wird regnen heut nacht, gib mir Schutz bei dir. Dann will ich dich schützen vor ihnen und vor dem Kind, wenn sie kommen. Aber laß mich dir zuvor binden die Hände, damit du dich nicht wieder schlägst, seinem Befehl nicht gehorchen kannst.‹
Und der Mann gab zurück die Frucht und ließ sich binden. Da band Joseph ihm beide Hände. Auseinander band er sie aber, hielt sie mit Strängen, daß weder die eine noch die andere den Mann erreichten. Und links und rechts, um zwei auseinanderliegende Felsblöcke im Innern der Höhle band er die Stränge.
Und als es dunkler wurde, entfachte er kein Feuer. Denn der Mann sagte, in jedem Feuer stünden Hütten und Häuser in Brand, und es warteten darin Verriegelte, ihm herauszulaufen ins Schwert.
Und Joseph schälte und schnitt die Frucht und fütterte den Gebundenen. Und er hielt ihm mit Fingern, nicht mit dem Messer, das Stück an die Lippen.
Draußen aber fiel kein Regen, alles blieb trocken und still.
Da aber, in der Nacht, Joseph schlief, kam wieder Geschrei.
Und Joseph erwachte und sah den Mann losgerissen, die Fesseln blutig am Boden. Er schlug sich aber mit Steinen, die er am Boden fand.
Da rannte Joseph los, ihm einzuhalten die Hand. Und wurde zurückgeworfen, zu Boden geschmettert von einem, der wie ein Riese um vieles war stärker als er.
Kaum lag Joseph aber am Boden, achtete der Mann nicht mehr auf ihn. Als läge da keiner. Sondern folgte jenem Befehl und, schreiend und stöhnend vor Schmerz, daß die Grabhöhle hallte davon, führte ihn wieder und wieder aus.
Joseph aber nahm, was er an Eßbarem in seiner Tasche übrig fand, und legte es an den Eingang und zog in der Nacht noch davon.
Und der Mann Virdanus ergriff ihn in vielen Gedanken, und, wie ein Ertrinkender, ließ nicht von ihm.
Kapitel 20. Die Stimme
Bald aber wußte Joseph nicht mehr, wie viele Tage vergangen waren.
Denn er blieb in der Gegend gefangen-verloren, wanderte ziellos. Bis er suchen wollte, besuchen die Stelle, wo er das Leergrab am Ufer gebaut.
Da kam es, daß er die Stelle fand, als ein Gewitter übers Land zog. Und in strömendem Regen kletterte er den Steilhang hinab zu ihr. Und hing mehrere Male am Felsen bei gefährlicher Glätte, denn Wasser wusch über die Felsen.
Und Joseph sah, daß auch unten Gefahr war. Denn übers Ufer hinaus bis ans Grabmal sprang manche Welle. So daß Joseph wußte, alles kann weggerissen werden noch diese Nacht, schon mit der nächsten Woge.
Joseph aber stieg tiefer hinab, bis er an Felsen zum gischtüberschwemmten Ufer gelangte.
Und er stierte durch den Regen hin, suchend die Stelle des Leergrabs, denn es war dunkel geworden.
Da, als Blitze herabbrachen, sah Joseph es leuchten. Es war aber der rindenlose Stamm, den er einst zwischen die Steine in die Mitte des Mals gestellt, der leuchtete bleichgewaschen herüber.
Joseph aber suchte nach Schutz, sich unterzustellen. Denn mit dem Regen brach auch Gestein herab und schlug im Herabschlagen anderes los.
Wo das Mal aber schloß an die Felsen, da fand Joseph einige Steine in der Mauer des Mals, das er aufgerichtet, herausgebrochen am Boden. Als habe jemand wollen hineinspähen, ob Wertvolles aufbewahrt läge.
Da stieg Joseph ins Innere des Mals und kauerte sich hin auf die Steine am Boden und umschränkte beidarmig die Knie und senkte den Kopf darauf, denn ihn fror. Joseph aber haderte mit sich und höhnte: ›Ist es so weit gekommen? Bin ich hinabgestiegen, um Schutz zu suchen bei ihm, den ich schutzlos ließ und ertrinken?‹
Und er hörte die Gischt, angepeitscht von den Winden, hinschlagen ans Halbrund des Mals und fühlte das Wasser hinsprühen an ihn durch die Ritzen. Und dachte: Wenn die Woge mich losreißt von hier, seh ich wieder den Sohn?
Schon will er’s im Geiste bejahen, als spräch er zur Woge:
›Schlag zu!‹
Da kommt ihm quer ein das Bild der Frau, die er liebt, und durchkreuzt den Geist, hält ihn ruhigend, fest, hält ihn ein.
Und Schlaf fiel auf Joseph. Und er schlief im Grabdenkmal, das er Jesus gebaut.
Dem Kauernden aber, der umschränkt hielt die Knie, als hielte er den Geretteten, träumte von einer Stimme, die spricht:
›Joseph, nimm auf mein Wort und trag es aus! Denn dir wird ein Sohn geboren werden. Ihm gib zurück den Namen!‹
Da erwachte Joseph am Morgen und stieg hinauf, entschlossen, heute noch die Fesseln zu brechen des Herumirrens und Wartens. Er wollte aber den Weg nehmen zum Dorf, das er Maria als Ziel seiner Flucht genannt hatte.
Denn
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