Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
das ihre Lippen ihm sangen, wenn sie ihn wusch und ihn zu trocknen umhüllte.
Als einige aber aufbrachen, zog ihn das Mädchen hinaus und führte ihn an der Hand. Und es sagte, das sei, ihm etwas zu zeigen.
Die Sonne war untergegangen, der Himmel aber noch hell. Und das Kind zog ihn vors Dorf an ein Feld, dort hatte man noch nicht geerntet.
Und das Mädchen sah sich um. Als es sah, daß ihnen niemand gefolgt war, auch auf dem Pfad niemand kam spät vom Feld, da kniete es hin. Und auch Joseph sollte hinknien: so sah es zu ihm herauf.
Und da er’s tat, begann sie, ihr Lied nochmals zu singen. Und ließ die Augen nicht von den Ähren des Felds, deren erste nur drei oder vier Ellen entfernt standen.
Als sie aber geendet hatte, schwieg das Kind wartend, als hätten nun Antwort zu geben die Ähren.
Und beide verharrten still.
Joseph aber wußte nicht, was sie ihm zeigen wollte, und hielt das Kind für vom Tode verwirrt. Da ergriff er ihre Hand, zurückzugehen mit ihr.
Sie aber sang es nochmals, das Lied. Nochmals hin zu den Ähren, und blieb auf den Knien vor ihnen. Und um sie mitzutrösten über die Verlorene, holt er sie ein in der Silbe des Lieds und singt’s leise mit. Das Mädchen aber hört es und hebt den Blick auf zu ihm. Sieht ihn an, als hätte sie es ihm beigebracht und er, als ihr ›Sohn‹, hätt es von ihr schon gelernt.
Da, als sie’s sangen, raschelte es im Korn. Und die Ähren teilten sich, denn es trat aus den Ähren heraus ein Fuchs und blieb sogleich stehen im Abstand vor ihnen.
Und das Mädchen drückte Josephs Hand fester, als sage sie: ›Siehst du, wer kommt.‹
Und sie sang für ihn. Joseph aber hielt ein. Und wieder drückte sie ihm die Hand, als sage sie: ›Deine Stimme bleibe nicht hinterher.‹ Da nahm Joseph das Lied wieder auf.
Langsam schritt der Fuchs seitlich des Feldes davon, verharrte nochmals und wandte den Kopf und sah zurück auf die Knienden her. Sein Fell aber war nicht rotbraun, sondern Joseph schien es hell, gelblich blaß von der Farbe des Korns.
Da drückte das Kind die Hand Josephs ein drittes Mal, denn er hatte dem Fuchs nachgesehen, der davonzog.
Und Joseph sah wieder her, zurück auf die Stelle, wo der Fuchs aus den Ähren getreten. Da kroch eine Schlange heraus, angelockt vom Gesang.
Und leicht – kaum rührt sie sich – drückt die Hand des Mädchens die seine ein viertes Mal: ›Nicht bewegen!‹
Da hob die Schlange auf ihren Kopf aus dem Staube des Felds.
Kapitel 22. Das Zeichen
Am nächsten Morgen, früh, noch vor Sonnenaufgang, ging Joseph zum Grab, wo beigesetzt war die Mutter.
Und das Gras war zertreten um die Stelle, wo man sie abgesetzt hatte, zu öffnen ihr Grab.
Und der Ort roch nach Salben.
Als er so stand, kam hinterher ihm der Bote, den man mit seinem Sohn nach Nazaret gesandt hatte, Joseph zu holen, als dessen Mutter im Sterben lag. Und Joseph ging auf ihn zu.
Da gab ihm der Bote ein Stück Lappen, in den etwas eingenäht war, und sagte:
›Maria, deine Verlobte, hat’s mir gegeben für ihren Mann. Denn sie drängte uns, nicht nach Sepphoris zu gehen, und sandte uns damit zurück.‹
Als der Mann wieder gegangen war, riß Joseph die Naht auf und erkannte das Stück ihres Tuchs, das sie in der Nacht seiner Flucht als Zeichen ausgemacht hatten.
Es war aber ungefärbt.
Kapitel 23. Die Nebel
Am selben Tag verließ Joseph das Sterndorf der Mutter, und ging längs des Baches Kerit, den Weg zum Jordan zurück.
Und er ging hin ans Ufer des Bachs und setzte sich und beugte sich hinab. Es war aber die Stelle, wo er das eisig schneidende Wasser getrunken und der Raben des Elija gedacht.
Und Wissen schnitt ein in ihn, daß er beugend hielt inne, die Lippen noch überm Spiegel, und sprach zum Antlitz im Bach:
›Als dich dürstete hier, noch warst du Sohn.‹
Und er stand auf und trank nicht.
Da sehnte er sich, Maria zu sehen. Und ihm kam in den Sinn, wie das Mädchen im Dorfe gesungen und was es ihm verborgen gezeigt. Und er ließ das Bild der Mutter, ließ es verborgen im Kinde zurück.
Hier aber sang er zur Frau. Sang beim Gehen in der Schlucht längs des Baches zum Jordan hin. Sang sich ein Lied, das er kannte. Und Joseph dachte: Morgen bin ich bei dir, werde dich wiedersehen.
Er sang aber aus Salomos Lied beim Gang durch die Schlucht längs des Baches Kerit:
Meine Taube, noch felsenverhüllt
Im Sproß meines Aufstiegs verborgen
Sehend mach mich im Angesicht dein
Hörend mach mich im Sang deiner Stimme
Denn süß ist die
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