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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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dort, dachte er, in Hoffnung über den Traum, werd ich erfahren, ob sie mir Zeichen gesandt hat zurückzukehren, Vermählung zu feiern mit ihr.
    Kapitel 21. Das Mädchen
    Und Joseph nahm den Weg gen Mittag und erreichte die Schlucht des Baches Kerit. Und ging längs des Baches, der schneidend herabfließt zum Jordan. Da lagerte sich Joseph nahe des Bachs, als es Nacht wurde.
    Es waren aber Bach und Fels, wo Elija sich einst vor König Ahab verborgen und Unreine, die Raben, ihm Brot und Fleisch gebracht am Morgen und Abend und Gott den Propheten geheißen hatte: ›Trink aus dem Bach. Und daselbst verbirg dich!‹
    Und Joseph des Abends, als ihn dürstete, ging hin und beugte sich übers Wasser und trank aus dem Bach.
    Und sein Wasser war kalt, eisig schneidend, als fiele dort Schnee.
    Und noch im Liegen fühlte er unter den Wangen bis hinab in den Bauch die Kälte des Bachs, davon er getrunken.
    Am Mittag des nächsten Tages erreichte Joseph die Gegend vor Kochaba, Sterndorf der Mutter und seiner Sippe.
    Und als er hinschritt zum Dorf, blieb er stehen am Feldrand. Da kam von hinter ihm her eine Gruppe Trauernder von einem Begräbnis zurück.
    Und sie zogen an ihm vorbei. Und einige sahen ihn. Manche aber hielten und deuteten auf ihn: ›Ist es nicht Joseph? Ist er zurückgekehrt?‹ Und man zog ihn vom Feldrand her. Und sie begrüßten ihn.
    Es war aber nicht Begrüßung, die erfuhr Joseph, sondern war ein Umklammertwerden, so heftig, daß sein Kopf zwischen Schulter und Kopf des anderen, den er noch kaum erkannt hatte, festsaß.
    Da erfuhr Joseph: Auch ihr Weinen galt ihm.
    Denn soeben hatten sie Josephs Mutter begraben und kehrten zurück ins Dorf. Und sprachen: ›Zu deinem Vater und zu deiner Frau haben wir sie gelegt.‹
    Und einer hielt Joseph fest und wollte ihn länger nicht lassen, so daß andere schrien. Und der flüsterte unterm Geschrei in sein Ohr: ›Sie hat dich geliebt.‹ Aber als wolle er sagen: ›Und ein Undankbarer hat sie verlassen.‹
    Andere küßten Joseph und weinten an ihm, während er reden hörte: ›Wie hat er’s gewußt? Denn sprach sie nicht gestern noch mit uns?‹ Und einige sagten zu Joseph: ›Noch gestern war sie erwacht und sprach uns von dir.‹
    Und als sie am Abend zur Trauer im Hause der Toten versammelt waren, und Joseph unter ihnen, hieß es:
    ›Vor Wochen schon, als sie im Sterben lag, hatten wir nach dir geschickt. Und einige in Nazaret sagten, du seist in Sepphoris beschäftigt und schon seit längerem nicht von der Arbeit zurückgekehrt. Als unsere Boten aber …‹ – und sie deuteten auf zwei, Vater und Sohn, die gebückt in der Ecke saßen und im Dorf bei vielen aushalfen, sich ihr Brot zu verdienen – ›… als die aus Nazaret aufbrachen, weiterzuziehen gen Sepphoris, dich dort zu finden, seien sie am Ausgang von Nazaret von deiner Verlobten gehalten worden. In größter Sorge war sie um dich. Und sprach zu unseren Boten: „Geht nicht nach Sepphoris. Sondern sucht zurückhin zu euch. Denn Joseph reiste vor einiger Zeit, mit dem Ziel, euch und seine Mutter zu sehen.“ Und sie bestand darauf, daß unsere Boten zurückkehrten, denn sie fürchtete, es könnte dir etwas zugestoßen sein auf dem Weg hinab. Allein seist du losgezogen, allein. Nun aber, als unsere Boten zurückkehrten, im Glauben, sie würden dich antreffen bei uns, wußte niemand von dir. Heute aber kommst du zu spät.‹
    Da fragte neugierig der Sohn des Boten: ›Wo warst du, als deine Mutter uns sandte, dich zu ihr zu rufen?‹ Sein Vater aber stieß ihn, zu schweigen.
    Als die Leute sahen, daß Joseph nicht antworten wollte und seine Gründe verbarg, aber litt, der Toten nicht mehr Trost gewesen zu sein, da zeigten sie ihm ein kleines Mädchen. Das war sechs Jahre alt und das Töchterlein des Nachbarn.
    Und man hieß sie singen ein Lied, das die Kleine der Mutter Josephs öfter gesungen. Denn seit zwei Jahren, so erzählte man, habe das Mädchen das Haus der Witwe besucht und war öfter bei ihr gesehen als bei der eigenen Mutter.
    Und man setzte das Kind auf seinen Schoß, als es leise zu singen begann, daß er’s höre. Und als Joseph sie singen hörte, erkannte er’s: ein Lied, das die Mutter ihm sang, als er Kind gewesen im Haus, darin es nun wieder klang. Die anderen aber wußten das nicht. Und in den Silben, die das Mädchen länger behielt, langzog, als begrüße sie jemanden freudig, verweile, umhülle ihn mit Silbentuchsang, sah er die Hände der Mutter vor Augen und hörte das Lied,

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