Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
Stimme und
Anmut dein Angesicht.
Bei Nacht schlief Joseph unweit des Jordan, wo einmündet der Bach Kerit in den Fluß. Er ging aber nicht über den Fluß, weil es dunkel geworden war im Tal.
Da träumte ihm in der Nacht, er ginge noch immer längs des Kerit, singend sein Lied, das er der Frau gesungen. Und kam an einer Stelle des Bachs vorbei und sah einen Raben sitzen am anderen Ufer. Und im Traum wußte Joseph: der hat Elijah genährt. Da kniete er hin und beugte sich übers Wasser, daraus zu trinken, denn ihn dürstete. Und er erstaunte: Eisbedeckt war der Bach und gläsern das Eis. Darin eingefroren aber zwei Tauben.
So sah es Joseph im Traum.
Bei Morgengrauen, als er erwachte, rätselte er über den Traum. Denn er verstand ihn noch nicht, war aber beunruhigt.
Joseph dachte: Welche Nahrung soll mir das sein, die der Rabe Elijahs da bringt? Denn der Bach verweigerte mir, wonach mich dürstete. Und hielt zwei Tauben umklammert, der Eisige, und verweigert ihnen das Leben.
Da erschrak Joseph, daß er gestern, wie auch im Traum dieser Nacht, von seiner Frau gesungen, sie im Lied seine Taube genannt hatte.
Und Joseph drängte es, den Fluß zu überqueren, auf Nazaret zu. Im Jordantal aber lag dichter Nebel.
Da suchte Joseph längs des Ufers nach der Furt, die er kannte und öfter benutzt hatte hinüberzugehen.
Und als er sie gefunden, stieg er in den Fluß und schritt vorsichtig voran und tauchte in die Nebel, die sich auf den Jordan gesenkt.
Nachdem er so eine Weile vorangegangen war, glaubte er sich in der Mitte des Flusses, und das Wasser reichte ihm über die Brust.
Und beim nächsten Schritt: bis zum Hals.
So daß Joseph glaubte, abgewichen zu sein oder den Ort der Furt ungenau gewählt zu haben.
Da ging er nach rechts, schritt ein Stück voran und glaubte, er ginge der Strömung entgegen. Nach wenigen Schritten aber sah er: Der Fluß zieht mit mir, abwärts steig ich. Und wandte sich nochmals um, in entgegengesetzter Richtung flußaufwärts zu gehen.
Da schien ihm nach wenigen Schritten, als strömten die Wasser von links auf ihn zu, gegen die Seite der Brust, als bewege er sich ans alte Ufer zurück.
Und er hielt verwirrt ein, weil er die Richtung verloren hatte und nicht mehr wußte, wo das Ufer lag, von dem er ausgegangen war, und wo das andere, zu dem er hinwollte.
Und einhaltend hielt still und lauschte.
Und das Wasser floß kälter als sonst, schien ihm, und tonlos schien es dahinzuziehen.
Er tastete sich weiter durch Nebel und Wasser, bis ihm das Wasser wieder reichte zur Brust. Schnürend kalt aber floß es, eisig geworden, als klammerten die Wasser um ihn.
Und abermals hielt Joseph und lauschte.
Da hörte er keinen Laut. Kein Rauschen. Nicht das
Streifen des Wassers am Schilf, nicht das Schürfen des
Wassers am Ufergestein.
Stille.
Und er erinnerte sich, daß es so still gewesen war einst, als er, ein Kind noch, nachts in der Wüste erwacht war und die Eltern nicht fand.
Stille.
Und er nach ihnen schrie.
Da war die Stille, die folgte den Schreien des Kinds, stiller noch als die Stille davor.
Jetzt aber am stillsten, hier in Wasser und Nebel.
Und Joseph rief, ob er von irgendher Antwort erhielte.
Aber es kam nichts, auch der Hall seiner Stimme kam nicht zurück.
Und Joseph sah auf das Wasser hinab, dessen Oberfläche unterm Nebel – kaum zwei Hand tief sah er hin – gleichmäßig war, eben und glatt.
Da tauchte Joseph den Finger hinein zu sehen, wohin die Strömung zöge, sich neu zu bestimmen die Richtung.
Aber es stand still der Jordan, nicht länger stieg er hinab. Still ohne Strömung, ohne irgend Bewegung verharrte der Fluß.
Da war’s Joseph, als stünd er schon Stunden im Nebel, als sei’s zeitlos eisiger Aufenthalt hier, verloren im Fluß, uferlos stehend und still.
Aber da – der Schrei eines Raben zerreißt die Nebel. Joseph sieht den Vogel über sich queren, im Eilflug querend den Menschen im Fluß.
Da ahnt Joseph, daß sich mit Maria etwas verändert, und weiß seine Frau in Gefahr.
Und er nahm durch die Wasser Richtung, folgte dem Riß durch die Nebel, den gerissen der Rabe im Flug. Und fand an das andere Ufer und eilte hinauf, Nazaret zu.
Kapitel 24. Der Name
Vor Einbruch der Nacht erreichte Joseph das Dorf der Nazoräer. Aber betrat es nicht. Sondern wich aus zu warten, bis es Nacht wäre. Denn zu besorgt war er um die Frau und wollte, ungesehen von anderen, erst reden heimlich mit ihr.
Und wartend auf die Nacht stieg er vorsichtig ums Dorf,
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