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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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wie ›teknon‹, als spräch er von Josephs Sohn, seinem ›Kind‹ – oder riefe ihn ›tekton‹, als hätte der Blinde erkannt den ›Zimmermann‹, der hier steht.
    Aufgeschreckt jetzt quert Joseph die Bretter, entschlossen an beiden vorbei.
    Hinter dem Alten aber hielt ein Gestänge bemalte Leinwand. Auf der war zu sehen, als grüne dort Lorbeer und als ranke sich Wein und als stünden Olivenbäume am Hügel des Hains.
    Und Joseph lief dran vorbei, daß der Blick der Frauenmaske hersah und sprachlos ihm folgte.
    Und als Joseph – noch im Gehen – sich zurückwandte nach ihr, betrat ein anderer die Bühne, etwa dort, wo Joseph hinausgestolpert war. Der Maskierte aber lief Joseph nun hinterher.
    Da drang Joseph hinters bemalte Gehänge der Weinreben und der Ölbäume des Hains und des Lorbeergesträuchs des Hügels, fand im Halbdunkel dahinter ein zweites und drittes Gehänge und eine kleine Treppe hinab. Die führte zum Fuß der Ränge der Zuschauer.
    Als aber Joseph sachte die hölzernen Stiegen der Ränge erklomm, war er schon vergessen, und niemand beachtete ihn mehr.
    Und Joseph sah, daß der dritte, der auf die Bühne gekommen, nicht lief her hinter ihm. Sondern anhielt bei der Frau und dem Alten. Und daß die Zuschauer aufmerksam hörten, was er dem Blinden zu sagen hatte und was ihn zu fragen der Blinde. Und Joseph glaubte, er höre das griechische Wort für die ›Götter‹ und, gleich darauf, reden von ›Jungfrauen‹.
    Genau aber verstand er nicht, worüber sie sprachen und wer oder wo diese drei der Menge vorheuchelten zu sein. Und fand bald darauf aus dem Theater hinaus, zurück auf die Gasse.
    In der Nacht aber, nach vergeblicher Suche, träumte dem Joseph:
    Nicht Brandgeruch riecht er von ferne, sondern sieht selbst das Feuer. Sieht’s nah.
    Denn da: Es brennt der Schaft einer Axt, die er für einen gefertigt in Nazaret einst, lange war’s her.
    Und wirft sich das Feuer wölbend hinüber auf Pflugschar und Pfahl, daß sie brennen.
    Auf Teller und Tische und Truhen, die er andern gezimmert einst, daß sie brennen und auftürmen Feuer.
    Daß Schwellen und Pfosten und Türsturz, daß Wände und Werkzeug der Werkstatt: aufbrennen ins Dach, sich werfen hinüber aufs
    eigene Haus, Haus Josephs, von wo die Flammen sich greifen die andern, anderen Häuser, die Joseph gebaut einst, lange war’s her, und die er nun wiedererkennt:
    in Flammen.
    Und er sieht nah: Was er je schuf in Holz, je fügte aus Stein und deckte mit Holz, sein mit Sorge und Arbeit Bedachtes:
    aufgehen in Brand.
    Und sieht das Feuer lärmend hinaufstieben, sich stemmen unter die Balken, sieht’s wölben sich, brüllend sich seitwärts werfen gen Norden, gen Aufgang und Untergang, nach Mittag hinauf.
    So daß aufgeht umher das Land:
    Flammenland ihm vor Augen.
    Und von Nazaret her, südwärts von Winden getrieben, entzündet aber im Anfang durch Stichflamme seiner Arbeit – dessen ist Joseph sich im Traum schuldig bewußt –, erreicht das Feuer Jerusalem.
    So daß bald, die Stadt über, Brandrauch lungert – wie ihr ihn heute auch riecht und ihn mittragt in euren Kleidern.
    Und wie ihr ranntet ums Leben und nichts erkanntet, als ihr kamt in der Nacht, so sieht sich Joseph im Traum irrend hinrennen durch die Stadt, die Jerusalem.
    Schuldig bergauf und hilflos talab durch die Gassen, die Gabelungen der Wege, den Sohn noch zu finden, bevor ihn die Flammen erreichen.
    Da im Traum sieht er sich nochmals queren die holzgezimmerte Bühne. Verfolgt nun von flammendurchstochenem Rauch, der die Szene verdunkelt.
    Und halten sieht er sich hastig bei der griechisch redenden Frau und dem Alten, dem Blinden.
    Und hört sich fragen den Blinden in galiläisch verhetztem Griechisch:
    Ob doch sicher sei vor dem Feuer, wer im Garten jenes Hains sich verberge?
    Denn im Traum hing zur Seite und hinter dem Blinden nicht mehr bemalte Leinwand. Sondern anstieg wirklicher Hügel, windumfacht wirklich.
    Und es wuchsen hier Lorbeer und Ölbaum und Wein, dichtschattig singend im Licht, durchstimmt von Stimmen des Vogels, die fachend hertrug der Wind.
    Und Joseph hoffte, sein Sohn, wenn er sich im Hügel des Haines verberge, sei sicher.
    Der Blinde aber und die Frau sprechen zu Joseph zugleich:
    Daß der Garten Grabhügel sei und das Feuer uns alle zernichte. Selbst den Göttern sei nicht Überdauern.
    Und wie Mehl und Brot riecht’s am Gewande des blinden Alten, als Joseph sich abwendet im Traum.
    Verzweifelt stürzt er weiter zum Hain und zieht über

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