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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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die hatte er lange nicht mehr gesehen, zogen vorbei ihm vor Augen.
    Und abwesend stand Joseph, stand still, als stünd er im Baum.
    Denn als sei er soeben gestiegen, sich zu retten im Baum, der einst gefällt lag im Garten des Römers, so stand er. Den Baum aber hatte zu fällen befohlen der Hauptmann der Söldner.
    Und es war still gewesen im Baum. War warm noch von Brandhitze das Dickicht der Äste und Zweige, an die Joseph tastete einst, so stillstehend im Innern des Baums.
    Und als lausche er nach draußen, nach Stimmen, stand er, als stünd er im Gewölbe des Baums noch. Als wäre Joseph noch dort, als stünde er jetzt bereit, zurückzufliehen nach Hause. Nach Nazaret jetzt, wo der Sohn war geboren und die Frau auf ihn wartete.
    Und Joseph war – je länger er hintastend stand bei dem alten Bild: seine Hand auf der Rinde des Baums, des gefällten, in den er gestiegen –, als seien frisch gerissene Zeichen zu lesen, die erschienen in der Rinde des Baums, geritzt wie von Krallen, von gepanzertem Leib eingeschleift.
    Da, nochmals, hörte Joseph den Sohn wiederholen die Frage:
    ›Wie sollen wir opfern, da sie uns nahmen das Lamm?‹
    Joseph aber antwortete, als läs er die Zeichen. Als fänd er sie eingeschrieben der Rinde des Baums, in dem er immer noch stand, stillstehend dort, als stünd er im Baum jenes Gartens. Und Joseph las sie tastend mit Fingern, las sie zusammen, sprach aus:
    ›Der Herr wird sich ein Opfer ersehen.‹
    Und Joseph wandte sich, weiterzugehen. Da zog er hinauf zum Rücken des Berges mit seinem Sohn.
    Als sie aber hinaufzogen den Pfad, fragte abermals Jesus:
    ›Sag, warum sprachst du jenen Räuber an, als stünde vor dir der lebendige Gott?‹
    Und Joseph antwortete ihm:
    ›Weil ER es war. In ihn hineingesenkt hatte ER sich, der Gewalt hatte über dein Leben.‹
    Da schwieg Joseph.
    Denn Joseph selbst sah, was geschehen war, als Zeichen, daß Gott sich den Sohn durch Gewalt anderer würde nehmen und den Sohn hintöten lassen umsonst, weil Joseph IHM ausgewichen war.
    Jesus aber lief hinterher, den schmalen Pfad aufwärts.
    Und Joseph hörte die Stimme des Sohns, die sprach hinter ihm:
    ›Vater, wir sehen verwandt. Denn als ich entriß ihm das Lamm und der Räuber mir mit dem Messer durchfahren wollte die Kehle, die er mich zwang ihm hinzuhalten, da riefst du zu ihrem Anführer hinauf, als stünde da Gott.
    Und da war mir ebenso, denn ich fühlte: nicht unser Lamm will ER, sondern zum Opfer uns selbst.‹
    Joseph aber hörte, daß Vorwissen war in der Stimme des Sohns, der doch nicht wissen konnte, daß er zum Opfer bestimmt war.
    Und Joseph glaubte, ein Splitter vom Traumgeheiß Gottes – das doch nur Joseph erhalten hatte – sei in die Stimme des Unschuldigen eingedrungen, des Sohns, und habe sich geschlichen ins Wort.
    Denn es sprach doch aus Jesus, als solle Joseph durch die Stimme des Sohns hin Gott sprechen hören, der sagt:
    ›Opfere! Denn der Sohn weiß genug und ist eingestimmt, nun zum Opfer geneigt. Siehe, dein Sohn ahnt, wen ich fordere.‹
    Joseph aber war, als werde er versucht durch die Stimme des Unschuldigen, darin stak Splitter Traumgeheiß.
    Da sprach er zur Antwort – und weniger zum Sohn sprach er als zur Stimme, die er hinter sich aus Jesu Worten glaubte herauszuhören – und sagte:
    ›ER verfolgt mich, weil ich noch nicht geopfert habe. Denn wie Jona, der auswich dem Auftrag, bin ich IHM ausgewichen. Da kommt ER über mich im Sturm.‹
    Und Joseph schwieg nach diesen Worten.
    Als sie aber dabei waren, den Rücken des Bergs zu erreichen, da, auf den letzten Schritten, hört Joseph abermals von hinter sich her die Stimme des Sohns, der sagt:
    ›Heute, Vater, hast du mein Leben gerettet. Da gehört es ganz dir. Nicht aber wie das Leben eines Sohnes, sondern wie das eines Ausgelieferten. Denn Gott gab’s in deine Hand.‹
    Und abermals war es Joseph, als habe sich Einer geschlichen in die Stimme des Unschuldigen und spräche darin, ihn versuchend.
    Joseph aber – wieder antwortete er weniger dem Sohn als der Stimme, die er hinter sich herkommend aus Jesu Worten zu hören glaubte – sprach:
    ›Sohn, nicht mir bist du ausgeliefert. Gott sind wir ausgeliefert.‹
    Und sie erreichten bei Dunkelheit, im Lichte des Vollmonds, die Stelle auf dem Bergrücken, da Joseph vor Tagen gelagert hatte zur Nacht.
    Der Steinaltar aber, den Joseph gebaut hatte zur Opferung, war nicht zu sehen von hier. Denn der lag hinauf ein Stück Weges.
    Kapitel 44. Das Zeichen des

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