Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
reden.
3
Monette verstummte und sah auf seine Uhr. Es war Viertel vor zwölf. Der Priester hatte gesagt, er erwarte Gäste zum Mittagessen. Gäste, die das Mittagessen sogar mitbrachten.
»Tut mir leid,Vater, dass es so lange dauert. Ich würde mich gern beeilen, wenn ich nur wüsste, wie.«
»Schon gut, mein Sohn. Du hast mein Interesse geweckt.«
»Ihre Gäste …«
»Können warten, solange ich das Werk des Herrn verrichte. Hat dieser Mann dich beraubt, mein Sohn?«
»Nein«, sagte Monette. »Es sei denn, man zählt meinen Seelenfrieden dazu. Zählt das?«
»Auf jeden Fall.Was genau hat er denn gemacht?«
»Nichts.Aus dem Fenster gesehen. Ich dachte, er würde dösen. Nur, später musste ich davon ausgehen, dass ich mich geirrt habe.«
»Und was hast du gemacht?«
»Von meiner Frau erzählt«, sagte Monette. Dann hielt er inne und überlegte. »Nein, das stimmt nicht ganz. Ich hab meiner Wut über sie Luft gemacht. Ich bin über meine Frau hergezogen , ich hab über sie gelästert . Ich... also …« Er wand sich, die Lippen fest zusammengepresst, den Blick auf die zu einer großen Faust ineinandergekrallten Hände zwischen den Oberschenkeln gerichtet. Schließlich brach es aus ihm heraus: »Er war doch taubstumm, verstehen Sie? Ich konnte ihm doch alles sagen, ohne dass ich mir seine Meinung oder seine weisen Ratschläge anhören musste. Er war taub, er war stumm, zum Teufel, ich dachte, er schläft und ich könnte ihm verdammt noch mal alles sagen, was ich wollte!«
Monette zuckte im Beichtstuhl mit der angehefteten Karteikarte zusammen.
»Entschuldigen Sie,Vater.«
»Was genau hast du über sie erzählt?«, fragte der Priester.
»Dass sie vierundfünfzig ist«, sagte Monette. »Damit fing es an. Das war nämlich das … verstehen Sie, das war das, was mir einfach nicht in den Kopf wollte.«
4
Nach der Mautstelle in Gardiner wird der Maine-Turnpike wieder zu einer normalen Schnellstraße, die sich über dreihundert Meilen durch das Nichts zieht: Wälder, Felder, gelegentlich ein Wohnwagen mit Satellitenschüssel auf dem Dach und radlosem, aufgebocktem Pick-up daneben.Außer im Sommer ist nur wenig Verkehr. Jeder Wagen wird zu einer eigenen kleinen Welt. Schon da kam Monette sich so vor (vielleicht lag es am Christophorus-Medaillon, das am Rückspiegel baumelte, ein Geschenk von Barb aus besseren, normaleren Zeiten), als befände er sich in einem fahrenden Beichtstuhl. Trotzdem ließ er es behutsam angehen, wie man das als Beichtender eben so tat.
»Ich bin verheiratet«, sagte er. »Ich bin fünfundfünfzig, und meine Frau ist vierundfünfzig.«
Er grübelte vor sich hin, während die Scheibenwischer hin und her strichen.
»Vierundfünfzig, Barbara ist vierundfünfzig. Wir sind seit sechsundzwanzig Jahren verheiratet. Ein Kind. Eine Tochter. Eine wunderbare Tochter. Kelsie Ann. Geht in Cleveland auf die Uni. Ich weiß nicht, wie ich ihr das weiter finanzieren soll. Vor zwei Wochen hat sich meine Frau nämlich ohne jede Vorwarnung in einen Mount St. Helens verwandelt. Stellt sich heraus, dass sie einen Liebhaber hat. Einen Liebhaber, seit zwei Jahren! Er ist Lehrer – klar, was sonst? -, aber sie nennt ihn Cowboy Bob. Und an den vielen Abenden, an denen ich dachte, sie ist in der Erwachsenenbildung oder beim Lesekreis, hat sie sich mit diesem verdammten Cowboy Bob einen Tequila nach dem anderen reingezogen und sich beim Line-Dancing vergnügt.«
Schon komisch. Man konnte es regelrecht vor sich sehen. Der reinste Sitcom-Scheiß. Wenn es je einen Sitcom-Scheiß gab, dann diesen. Aber seine Augen – wenngleich trocken – brannten, als wären sie mit Giftefeu in Berührung gekommen. Er sah nach rechts, aber der Anhalter kehrte ihm immer noch den Rücken zu. Die Stirn lehnte jetzt am Beifahrerfenster. Er schlief, ganz sicher.
Ziemlich sicher.
Monette hatte bisher niemandem vom Ehebruch seiner Frau erzählt. Kelsie wusste noch nichts davon, aber bald würde sie aus allen Wolken fallen. Die Gerüchteküche brodelte bereits – vor seiner Abreise hatten ihn unabhängig drei Berichterstatter angerufen, wobei er jedes Mal den Hörer aufgeknallt hatte -, aber noch hatten sie nichts, was sie drucken oder senden konnten. Das würde sich bald ändern. Monette allerdings würde so lange wie möglich bei seinem Kein Kommentar bleiben, hauptsächlich um sich die Peinlichkeit zu ersparen. Hier aber sparte er nicht mit seinen Kommentaren, was ihn sehr erleichterte. In gewisser Weise war es, als würde er
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