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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Schwester Chloe. »Es scheint ihm besser zu gehen.« Sie hielt inne. »Ich hab so was mein Lebtag noch nicht gesehen.«
     
    Es ging ihm besser. Als wir eine Viertelstunde darauf eintrafen, saß er auf dem Sofa im Wohnzimmer und sah sich auf dem größeren Fernsehapparat dort die Pirates an – kein Wunder der Technik, aber wenigstens eines mit einem farbechten Bild. Durch einen Strohhalm nuckelte er an einem Protein-Shake. Er hatte Farbe im Gesicht. Seine Wangen wirkten voller, vielleicht weil er frisch rasiert war. Er hatte sich wieder aufgerappelt. Das dachte ich mir damals jedenfalls; ein Eindruck, der sich im Lauf der Zeit nur verstärkte. Und noch etwas, worauf wir uns alle einigen konnten, selbst die ungläubige Thomasine, mit der ich verheiratet war: Der gelbe Geruch, der ihm anhaftete, seitdem er von den Ärzten nach Hause geschickt worden war, hatte sich verflüchtigt.
    Er begrüßte uns alle mit Namen und erzählte,Willie Stargell habe gerade einen Home-Run für die Buccos geschlagen. Ralph und ich sahen uns an, als wollten wir uns vergewissern, dass wir uns das nicht einbildeten. Trudy setzte sich auf das Sofa neben Doc, oder besser gesagt: ließ sich darauffallen. Ruth ging in die Küche und holte sich ein Bier, was ebenfalls an ein Wunder grenzte.
    »Hätte nichts dagegen, wenn ich auch eins haben könnte, Ruthie-doo«, sagte mein Vater. Und dann, wahrscheinlich, weil er meine völlig verdutzte Miene als Ausdruck der Missbilligung missverstand: »Es geht mir besser. Der Bauch tut kaum noch weh.«
    »Nein, kein Bier für Sie«, sagte Schwester Chloe. Sie saß in einem der Sessel und machte keinerlei Anstalten, ihre Sachen zusammenzupacken, ein Ritual, mit dem sie sonst gut zwanzig Minuten vor Ende ihrer Schicht begann. Ihre nervtötende Mach-es-für-Mami-Autorität schien zu bröckeln.
    »Seit wann ist es so?«, fragte ich, wobei ich mir noch nicht mal sicher war, was ich mit diesem es meinte, die Veränderung zum Guten schien nämlich allumfassend zu sein. Wenn ich etwas Spezifisches im Kopf hatte, dann wohl das Verschwinden des Geruchs.
    »Es wurde mit ihm schon besser, als wir heute Nachmittag gefahren sind«, sagte Trudy. »Ich hab’s nur nicht glauben wollen.«
    »Bolschewisten«, sagte Ruth. Das war das Äußerste an Flüchen, zu dem sie sich aufraffen konnte.
    Trudy achtete gar nicht darauf. »Es war das kleine Mädchen«, sagte sie.
    »Bolschewisten!«, rief Ruth aus.
    »Welches kleine Mädchen?«, fragte mein Vater. Es war Pause zwischen zwei Innings. Im Fernsehen erzählte uns ein Typ mit Glatze, großen Zähnen und dem Wahnsinn im Blick, dass Teppiche bei Juker’s so billig seien, dass man sie fast umsonst bekomme. Und, großer Gott, auf angezahlte Ware würden keine Zinsen fällig. Bevor einer von uns Ruth etwas erwidern konnte, wandte sich Doc an Schwester Chloe, ob er nicht ein halbes Bier haben könne. Sie lehnte ab. Doch mit Schwester Chloes Autorität in dem kleinen Haus war es nun mehr oder weniger vorbei, und in den folgenden vier Jahren – bevor ein Bissen unzerkautes Fleisch ihm endgültig den Garaus machte – trank mein Vater noch viele, viele Biere. Und genoss jedes einzelne davon, wie ich hoffe. Bier ist nämlich ein Wunder an sich.
     
    In jener Nacht, während wir schlaflos in unseren harten Ramadammt-Inn-Betten lagen und dem Rattern der Aircondition lauschten, sagte mir Ruth, ich solle über das blinde Mädchen, das sie nicht Ayana nannte, sondern das »schwarze Wunderkind«, meinen Mund halten. Sie sagte es in einem Ton ätzenden Sarkasmus, was ihr gar nicht ähnlich sah.
    »Außerdem«, sagte sie, »wird es so nicht bleiben. Manchmal flackert eine Glühbirne nochmal hell auf, bevor sie endgültig ausbrennt. Ich bin mir sicher, das passiert mit Menschen auch.«
    Vielleicht, aber Doc Gentrys Wunder hielt an.Am Ende der Woche ging er, abwechselnd von mir und Ralph gestützt, in seinem Garten auf und ab. Danach fuhren wir alle nach Hause. Am ersten Abend nach unserer Rückkehr rief mich Schwester Chloe an.
    »Wir fahren nicht zurück, egal, wie schlecht es ihm geht«, sagte Ruth halb hysterisch. »Sag ihr das.«
    Aber Schwester Chloe wollte nur mitteilen, dass sie den Doc zufällig aus der Tierarztpraxis in Ford City habe kommen sehen, wo er dem jungen Praxisinhaber Ratschläge zu einem Pferd mit Dummkoller erteilt habe. Er habe seinen Stock bei sich gehabt, ihn aber nicht benutzt. Schwester Chloe sagte, sie sei noch nie einem Mann »seines Alters« begegnet, der besser

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