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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hören: »Die Tür muss aufgegangen sein, das Schloss hält schon die ganze Zeit nicht richtig. Die beiden müssen einfach reinspaziert sein.«
    Ralph, der neben Trudy stand, sah über die Schulter. »Sie ist jetzt aber zu. Sie haben sie wohl wieder geschlossen.« Als ob das für die beiden sprechen würde.
    »Sie können nicht einfach hier reinkommen«, sagte Trudy zu der Frau. »Wir haben zu tun. Wir haben hier einen Krankheitsfall. Ich weiß nicht, was Sie wollen, aber Sie müssen wieder gehen.« »Sie können doch auch nicht einfach in ein Haus eindringen«, fügte Ralph hinzu.Alle drei drängten sich in die Tür zum Krankenzimmer.
    Ruth tippte der Frau nicht unbedingt sanft auf die Schulter. »Wenn Sie nicht wollen, dass wir die Polizei rufen, müssen Sie jetzt gehen. Das wollen Sie doch nicht, oder?«
    Die Frau beachtete sie nicht. Sie schob das kleine Mädchen nach vorn und sagte: »Geradeaus.Vier Schritte. Da steht so ein Ständer, pass auf, dass du nicht drüberfällst. Lass hören, wie du zählst.«
    Das kleine Mädchen zählte also: »Ains … zwai … drai … vier.« Bei drai trat sie über den Metallfuß des Infusionsständers, ohne nach unten zu sehen – wahrscheinlich konnte sie durch die verschmierten Gläser ihrer zu großen Ramschbrille sowieso überhaupt nichts sehen. Nicht mit diesen milchig trüben Augen. Sie kam so nah an mir vorbei, dass der Rock ihres Kleides wie ein Gedanke über meinen Unterarm streifte. Sie roch nach Schmutz und Schweiß und – genau wie Doc – nach Krankheit. Beide Arme waren mit dunklen Stellen gezeichnet, keinem Schorf, sondern wunden Stellen.
    »Halt sie auf!«, sagte mein Bruder zu mir, aber ich tat nichts dergleichen. Das alles geschah sehr schnell. Das kleine Mädchen beugte sich über das unrasierte, eingefallene Gesicht meines Vaters und gab ihm einen Kuss. Einen festen, keinen zarten Kuss. Einen richtigen Schmatz.
    Ihre kleine Plastikhandtasche stieß dabei leicht gegen sein Gesicht, worauf mein Vater die Augen aufschlug. Später sagten sowohl Trudy als auch Ruth, dass er von diesem Schlag geweckt worden wäre. Ralph war sich dessen weniger sicher, und ich glaubte es überhaupt nicht. Die Handtasche gab nicht das leiseste Geräusch von sich, als sie ihn berührte. Es war nichts drin, von einem Taschentuch vielleicht mal abgesehen.
    »Wer bist du, Kleine?«, fragte mein Vater mit seiner rauen, zum Sterben bereiten Stimme.
    »Ayana«, sagte das Kind.
    »Ich bin Doc.« Er sah aus seiner dunklen Höhle, in der er jetzt lebte, zu ihr hoch, aber mit mehr Geistesgegenwart, als ich in den zwei Wochen, die wir mittlerweile in Ford City waren, bei ihm je wahrgenommen hatte. Er hatte den Punkt erreicht, an dem noch nicht einmal ein gemächlicher Home-Run im neunten Inning ihn aus seinem zunehmenden Stupor hätte reißen können.
    Trudy schob sich an der Frau vorbei und wollte sich auch an mir vorbeischieben, um sich das Kind zu schnappen, das sich so plötzlich in Docs eingetrübtes Gesichtsfeld gedrängt hatte. Ich packte sie am Handgelenk und hielt sie auf. »Warte.«
    »Was soll das heißen? Die sind hier unbefugt eingedrungen!«
    »Ich bin krank, ich muss gehen«, sagte das kleine Mädchen. Dann küsste sie ihn noch einmal und trat zurück. Diesmal stolperte sie über den Fuß des Infusionsständers und brachte dabei fast diesen und sich zu Fall.Trudy griff sich den Ständer, und ich griff mir das Kind. Es war nichts an ihr, nur Haut, die um eine vielschichtige Anordnung von Knochen gewickelt war. Ihre Brille fiel mir in den Schoß, und kurz blickten mich diese milchigen Augen an.
    »Es wird alles gut«, sagte Ayana und berührte mit ihrer winzigen Hand meinen Mund. Sie fühlte sich glühend heiß an, aber ich zuckte nicht zurück. »Es wird alles gut.«
    »Ayana, komm«, sagte die Frau. »Wir sollten die Herrschaften verlassen. Zwei Schritte. Lass mich hören, wie du zählst.«
    »Ains … zwai«, sagte Ayana. Sie setzte ihre Brille auf und schob sie die Nase hoch, wo sie wohl nicht lange bleiben würde. Die Frau nahm das Mädchen an der Hand.
    »Ihnen einen gesegneten Tag noch«, sagte sie und sah zu mir. »Tut mir leid für Sie«, sagte sie, »aber die Träume des Kindes sind jetzt vorbei.«
    Die Frau und das Mädchen gingen Hand und Hand durch das Wohnzimmer. Ralph folgte ihnen wie ein Schäferhund, wahrscheinlich, um aufzupassen, dass sie nichts stahlen. Ruth und Trudy waren über Doc gebeugt, der die Augen noch immer weit aufgerissen hatte.
    »Wer war dieses

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