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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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die schreiende Schwärze seines Schattens an der Wand, wie das Klopfen ihres Herzens, das auf einmal ohne jeden Grund schneller geworden ist), aber sie möchte ihn in seinem verwirrten Samstagmorgenzustand nicht noch zusätzlich aufwühlen. Schließlich stellt er die Pfeffermühle von sich aus weg, und eigentlich müsste sie jetzt aufatmen, aber irgendwie kann sie es nicht, auch die Mühle wirft nämlich einen Schatten – lang wie der einer übergroßen Schachfigur zieht er sich über den Tisch. Sogar die Toastkrümel dort haben Schatten, und sie weiß nicht, weshalb ihr das auf einmal solche Angst einjagt. Sie muss an die Grinsekatze aus Alice im Wunderland denken, die »Hier sind alle verrückt« sagt, und plötzlich will sie Harveys blöden Traum überhaupt nicht mehr hören, den Traum, aus dem er schreiend und mit einer Stimme aufgewacht ist, als hätte ihn der Schlag getroffen. Plötzlich möchte sie nicht mehr, dass das Leben anders als dünn ist. Dünn ist in Ordnung, dünn ist gut – man schaue sich nur die Schauspielerinnen in den Kinofilmen an, falls da Zweifel bestehen.
    Das muss alles gar nichts heißen, denkt sie fieberhaft. Ja, fieberhaft. Fast wie bei einer Hitzewallung, obwohl sie geschworen hätte, diesen Quatsch schon seit zwei, drei Jahren hinter sich zu haben. Heute ist ein ganz normaler Samstagnachmittag, und das alles muss gar nichts heißen.
    Sie öffnet den Mund, um sich zu verbessern. Sie hat sich vertan, in Wirklichkeit heißt es, dass Träume in Erfüllung gehen, wenn man sie erzählt. Aber es ist schon zu spät, er redet bereits, und ihr schießt durch den Kopf, dass das die Strafe dafür ist, dass sie sich über die Dünnheit des Lebens mokiert hat. In Wirklichkeit ist das Leben wie ein Stück von Jethro Tull, »Thick as a Brick«, dick wie ein Backstein.Wie hat sie je etwas anderes glauben können?
    »Ich habe geträumt, es ist Morgen und ich gehe runter in die Küche«, sagt er. »Samstagmorgen, genau wie heute, bloß dass du noch nicht auf warst.«
    »Am Samstag stehe ich doch immer vor dir auf«, sagt sie.
    »Ich weiß, aber es war eben ein Traum«, sagt er geduldig, und sie sieht die weißen Haare an der Innenseite seiner Schenkel und darunter die verkümmerten Muskeln. Früher hat er Tennis gespielt, aber diese Zeiten sind schon längst vorbei. Mit einer für sie völlig uncharakteristischen Boshaftigkeit denkt sie: Du wirst einen Herzinfarkt kriegen, bleicher Mann, ja, daran wirst du krepieren, und vielleicht bringen sie dann sogar einen Nachruf auf dich in der New York Times; wenn allerdings am gleichen Tag irgendeine B-Movie-Schauspielerin aus den Fünfzigern oder eine mäßig berühmte Ballerina aus den Vierzigern stirbt, wirst du völlig leer ausgehen.
    »Aber es war wie heute«, sagt er. »Ich meine, die Sonne hat geschienen.« Er hebt die Hand und setzt die Staubpartikel um seinen Kopf in Bewegung.Am liebsten würde sie ihn anschreien, er soll damit aufhören, er soll das beschissene Universum nicht so durcheinanderwirbeln.
    »Ich hab meinen Schatten auf dem Boden gesehen, und er war noch nie so hell und so dick.« Er unterbricht sich und lächelt schließlich, und sie bemerkt seine aufgesprungenen Lippen. »Hell ist ein komisches Wort für einen Schatten, findest du nicht? Dick auch.«
    »Harvey …«
    »Ich bin zum Fenster«, sagt er, »und hab rausgeschaut, und da hab ich die Delle an der Seite vom Volvo der Friedmans bemerkt – und irgendwie war mir sofort klar, dass Frank wieder mal gesoffen und auf dem Heimweg eine Beule in den Wagen gefahren hat.«
    Plötzlich hat sie das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen. Auch ihr ist die Delle an Frank Friedmans Volvo aufgefallen, als sie vorhin an der Tür nach der Zeitung gesehen hat (sie war noch nicht da), und sie hat sofort dasselbe vermutet: dass Frank im Gourd gezecht hat und dann auf dem Parkplatz gegen etwas geschrammt ist.Wortwörtlich hatte sie gedacht:Wie wohl der andere Wagen aussieht?
    Kann es sein, dass Harvey das auch gesehen hat und dass er sie aus irgendeinem Grund hochnehmen will? Möglich ist es natürlich; das Gästezimmer, in dem er im Sommer schläft, hat ein Fenster zur Straße. Aber Harvey ist nicht der Typ für so was. Harvey Stevens käme nie auf die Idee, andere Leute »hochzunehmen«.
    Sie spürt den Schweiß auf der Stirn und am Hals, und ihr Herz schlägt so heftig wie noch nie. Sie hat das deutliche Gefühl, dass da etwas auf sie zurollt, irgendwas Gewaltiges – aber warum ausgerechnet jetzt?

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