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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wo doch gerade alles so ruhig ist und man der Zukunft gelassen entgegensehen kann.Wenn ich das heraufbeschworen habe, tut es mir leid, denkt sie … nein, es ist schon mehr ein Flehen. Ich nehme alles zurück, bitte, ich nehme alles zurück.
    »Dann bin ich zum Kühlschrank gegangen«, sagt Harvey nun, »und hab reingeguckt, und da hab ich einen Teller mit russischen Eiern gesehen, der mit Frischhaltefolie abgedeckt war. Ich hab mich richtig gefreut – ich hatte Lust auf ein Mittagessen um sieben Uhr früh!«
    Er lacht. Janet – die frühere Jax – senkt den Blick auf den Topf in der Spüle. Auf das eine noch verbliebene hartgekochte Ei darin. Die anderen wurden geschält, sauber in zwei Hälften geteilt, das Eigelb herausgehoben. Sie liegen in einer Schüssel neben dem Geschirrtrockner. Daneben steht das Glas Mayonnaise. Die russischen Eier wollte sie zum Mittagessen mit einem grünen Salat servieren.
    »Bitte erspar mir den Rest«, sagt sie, allerdings mit so leiser Stimme, dass selbst sie sie kaum wahrnimmt. Früher war sie mal Laienschauspielerin gewesen, und jetzt kann sie sich nicht einmal quer durch die Küche verständlich machen. Ihre Brustmuskeln fühlen sich schlaff und zittrig an, so wie wohl Harveys Beine, wenn er Tennis spielen würde.
    »Ich dachte mir, eins stibitzt du dir jetzt«, sagt Harvey, »aber dann dachte ich mir, nein, lass es lieber, sonst meckert sie dich an. Und dann hat auf einmal das Telefon geläutet. Ich bin drauf zugestürzt, damit du nicht davon aufwachst. Und jetzt kommt das Unheimliche. Soll ich es dir erzählen?«
    Nein, denkt sie an ihrem Platz vor der Spüle, ich will das Unheimliche nicht hören. Andererseits will sie wie alle Leute – darin sind wir alle verrückt – das Unheimliche hören. Außerdem hat ihre Mutter wirklich behauptet, dass Träume dann nicht wahr werden, wenn man sie erzählt, das heißt, man soll die Alpträume mitteilen und die schönen Träume für sich behalten, sie wie einen Zahn unterm Kissen verstecken. Sie haben drei Töchter, eine davon wohnt ein Stück weiter in derselben Straße: Jenna, geschieden und lebenslustig, gleicher Name wie eine der Bush-Zwillinge, was Jenna total wütend macht; inzwischen fordert sie die Leute sogar auf, sie Jen zu nennen. Drei Mädchen, also viele Zähne unter vielen Kissen, viele Ängste wegen fremder Männer, die einen mit Süßigkeiten ins Auto locken, was wiederum eine Menge Sicherheitsvorkehrungen nach sich zog. O ja, sie hofft inständig, dass ihre Mutter Recht hatte. Dass das Aussprechen eines bösen Traums so ist, wie wenn man einem Vampir einen Pfahl ins Herz rammt.
    »Ich hab abgenommen«, sagt Harvey, »und Trisha war dran.« Trisha ist ihre älteste Tochter, die, die Houdini und Blackstone verehrt hat, bevor sie die Jungs entdeckte. »Am Anfang hat sie nur ein einziges Wort gesagt, nur ›Dad‹, aber ich hab sie sofort erkannt. Du weißt doch, wie das ist, man erkennt sie immer.«
    Ja. Sie weiß, dass man sie immer erkennt. Die eigenen Kinder erkennt man immer, zumindest so lange, bis sie erwachsen sind und zu jemand anders gehören.
    »›Hi, Trish‹, hab ich gesagt, ›warum rufst du denn schon so früh an, Liebes? Deine Mutter ist noch in der Falle.‹ Zuerst keine Antwort. Ich dachte schon, wir sind unterbrochen worden, aber dann habe ich auf einmal dieses Flüstern und Wimmern gehört. Eigentlich gar keine richtigen Worte. Als wollte sie reden, würde aber kaum etwas rausbringen, weil sie keine Kraft hatte oder nicht genug Luft bekam. Und da ist mir auf einmal ganz mulmig geworden.«
    Tja, der Schnellste war er ja noch nie. Janet nämlich – damals am Sarah Lawrence College und im Drama-Club noch Jax, die echt was von Zungenküssen verstand, Jax, die Gitanes rauchte und so tat, als würde ihr Tequila schmecken -, Janet nämlich hat schon seit längerem Angst, hatte schon Angst, bevor Harvey die Delle an Frank Friedmans Volvo erwähnte. Sie muss an das Telefongespräch mit Hannah vor knapp einer Woche denken, in dem es schließlich um Alzheimer-Geistergeschichten ging. Hannah in der Stadt, Janet bequem eingekuschelt am Fensterplatz im Wohnzimmer, den Blick auf ihr viertausend Quadratmeter großes Grundstück in Westport gerichtet, auf all die wunderschönen wachsenden Dinge, die sie zum Niesen bringen und ihre Augen anschwellen lassen. Bevor sie auf Alzheimer kamen, redeten sie zuerst über Lucy Friedman und dann über Frank. Und wer von ihnen hat es ausgesprochen? Wer von ihnen hat gesagt: »Wie

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