Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
einstellen wollten, zählte das Einfrieren von Hirngewebe, damit man diejenigen Botenmoleküle extrahieren konnte, die als Neurotransmitter längst allgemein bekannt geworden sind. Forschungen an zweien dieser Neurotransmitter, Serotonin und Dopamin, waren für die Behandlung zahlreicher Krankheiten, von der Depression bis zur Parkinson-Erkrankung, letztlich gleichbedeutend mit einem gewaltigen Sprung nach vorne.
Die Synapsen zu studieren hat uns allerdings nicht weit genug vorangebracht. Beispielsweise gibt es viele unterschiedliche Arten von Depression, jede mit einer eigenen chemischen Signatur. Breitband-Antidepressiva haben sich für eine Behandlung unterschiedlicher Depressionstypen jedoch als nicht ausreichend wirksam und zielgenau erwiesen. Denn bei Patient A ist die Bandbreite der Symptome mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die gleiche wie bei Patient B, auch wenn bei beiden eine Konstellation aus Traurigkeit, Hilflosigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, Appetitverlust etc. vorliegt: Die Depression prägt von Mensch zu Mensch ihre je eigenen unverwechselbaren neuronalen Netzwerke aus.
Daher ist man zu einem systemischen Ansatz übergegangen und hat umfassendere, über die Synapsen weit hinausreichende Netzwerke in den Blick genommen. Ob Sie bei sich zu Hause im elektrischen Verteilerkasten eine Sicherung überprüfen oder einen Blick auf das gesamte Leitungsnetz werfen, das bedeutet keinen gar so großen Unterschied. Beim Gehirn sieht das ganz anders aus. Neuronale Netzwerke sind lebendig, dynamisch und stehen in einer Wechselbeziehung von der Art, dass eine Veränderung in einem Teil der Vernetzung sich gleich im gesamten Nervensystem bemerkbar machen wird.
Das mag abstrakt klingen, doch der Netzwerkansatz eröffnet unerhört viele Wege und Möglichkeiten. Beim Gehirn haben wir es mit einem fluktuierenden Prozess zu tun, nicht mit einem Ding. Da es sich beim Denken und beim Fühlen gleichfalls um fluktuierende Prozesse handelt, ist das ungefähr so, als würde man zwei Spiegeluniversen betrachten. (Darüber hinaus kann man das Unbewusste, den unbewussten Geist, als eine Analogie zur– die Geschehnisse im sichtbaren Kosmos auf rätselhafte Weise steuernden– dunklen Materie ansehen.)
Betrachtet man die Dinge in diesem weit gefassten Zusammenhang, dann stehen die Aktivitäten Ihrer Nervenzellen in Entsprechung zu allem, was Ihnen widerfährt. Selbst Ihre Gene haben daran noch teil. Denn Ihre Gene, weit davon entfernt, still und starr im Kern jeder Zelle zu hocken, werden in Abhängigkeit von allen möglichen Geschehnissen in Ihrem Leben ein- und ausgeschaltet. Und entsprechend verändern sich die jeweils abgegebenen chemischen Substanzen.
» Das Verhalten prägt die Biologie. « Von dieser Parole inspirierte Studien haben gezeigt, dass positive Lebensstilveränderungen, was die Ernährung, körperliche Bewegung, Stressbewältigung und Meditation anbelangt, sich auf 400 bis 500– und möglicherweise sogar noch viel mehr– Gene auswirken.
Was kann man tun, um einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung vorzubeugen beziehungsweise sie abzuwenden? Folgen Sie einfach jenem Lifestyle-Trend, der sich bei so vielen anderen Gesundheitsproblemen als hilfreich erwiesen hat. Als Erstes verschaffen Sie sich mehr körperliche Bewegung! Sam Sisodia, ein guter Freund und Kollege, hat in Tiermodellen (bei Mäusen, die ein mutiertes menschliches Alzheimer-Gen in sich tragen) gezeigt, dass Erkrankungsprozesse des Gehirns in dramatischem Umfang reduziert werden konnten, wenn man der Maus über Nacht ein Laufrad zur Verfügung stellte. Tatsächlich hat dasKörpertraining bei den Tieren eine Genaktivität gefördert, die eine Verringerung des im Mäusegehirn vorhandenen Beta-Amyloids zur Folge hatte. Epidemiologische Studien haben ebenfalls bestätigt, dass man durch mäßig anstrengende Bewegung (dreimal pro Woche für eine Stunde) das Alzheimer-Risiko verringern kann. Außerdem deutete eine klinische Studie darauf hin, dass nach Einsetzen der Erkrankung zweimal wöchentlich je eine Stunde hartes Training deren Fortschreiten verlangsamen konnte.
Der zweite entscheidende Punkt ist die Ernährung. Diejenigen Nahrungsmittel, die gut fürs Herz sind, so lautet die Faustregel, sind auch gut fürs Gehirn. Eine mediterrane, an kalt gepresstem Olivenöl reiche Kost, außerdem maßvoller Rotweingenuss wie auch dunkle Schokolade gehören zu jenen Bestandteilen der Ernährung, die mit einem geringeren Alzheimer-Risiko in
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