Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
Umgebung) bei Mäusen das Neuronenwachstum stimulieren. In zoologischen Gärten lässt sich dieses Prinzip gut beobachten: Wenn Gorillas und andere Primaten in einem spärlich bemessenen Käfig gehalten werden und es ihnen an Beschäftigung fehlt, vegetieren sie dahin. In einem großen, mit Bäumen, Schaukeln und Spielzeug ausgestatteten Gehege blühen sie hingegen regelrecht auf. Könnten wir herausfinden, wie sich im menschlichen Gehirn auf sichere Weise eine Neurogenese in Gang setzen lässt, so stünden uns bei einem Verlust oder einem ernstlichen Schaden an Gehirnzellen– im Fall einer Alzheimer-Erkrankung, einer traumatischen Hirnverletzung, eines Schlaganfalls oder bei Epilepsie– künftig wirkungsvollere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Außerdem könnten wir dann, während wir älter werden, zuverlässig dafür sorgen, dass unser Gehirn gesund bleibt.
Körperliche Bewegung und geistige Anregung, das hat der an der University of Chicago tätige Alzheimer-Forscher Sam Sisodia gezeigt, schützt Mäuse davor, an Alzheimer zu erkranken, selbst wenn man mit den Mitteln der Gentechnik ein menschliches Alzheimer-Gen in ihr Genom eingeschleust hat. Auch andere Studien bei Nagern haben ermutigende Resultate für das » normale « Gehirn erbracht. Indem Sie sich entscheiden, jeden Tag etwas für Ihre körperliche Fitness zu tun, können Sie die Anzahl der neuen Nervenzellen erhöhen; das Gleiche gilt, wenn Sie sich aktiv darum bemühen, neue Dinge zu erlernen. Zugleich tun Sie damit etwas für das Überleben dieser neuen Zellen und ihrer Verknüpfungen. Dagegen führen emotionaler Stress und traumatische Erfahrungen zur Bildung von Glukokortikoiden im Gehirn, die in Tierversuchen eine toxische, die Neurogenese hemmende Wirkung gezeigt haben.
Den Mythos von den Millionen Gehirnzellen, die wir angeblich jeden Tag einbüßen, können wir mit Sicherheit ad acta legen. Sogar bei der elterlichen Warnung, unter der Einwirkung von Alkohol würden Gehirnzellen absterben, handelt es sich, wie sich herausgestellt hat, lediglich um eine Halbwahrheit. Durch gelegentlichen Alkoholkonsum, ja selbst bei Alkoholikern (die allerdings zahlreiche andere, ganz handfeste Gesundheitsgefährdungen in Kauf nehmen) stirbt tatsächlich nur eine verschwindend kleine Anzahl von Gehirnzellen ab. Der eigentliche durch das Trinken verursachte Verlust betrifft die Dendriten. Studien scheinen indes darauf hinzudeuten, dass dieser Schaden in den meisten Fällen reversibel ist. Vorerst lautet für uns das Fazit: Wichtige, für das Gedächtnis und fürs Lernen zuständige Hirnareale produzieren immer weiter neue Nervenzellen– auch wenn wir älter werden. Und dieser Prozess kann durch körperliche Bewegung, durch geistig anregende Aktivitäten (wie die Lektüre dieses Buches) und durch Verbundenheit mit anderen Menschen zusätzlich stimuliert werden.
Fünfter Mythos: Primitive Reaktionen (Angst, Wut, Eifersucht, Aggression) sind stärker als die höheren Hirnfunktionen.
Zumindest bei den ersten vier der fünf Mythen haben die meisten Menschen inzwischen irgendwie mitbekommen, dass sie nicht den Tatsachen entsprechen. Dagegen scheint der fünfte Mythos eher an Boden zu gewinnen. Wer erklärt, der Mensch sei ein Getriebener, er werde von primitiven Triebkräften gesteuert, holt sich die Begründung dafür teils aus der Wissenschaft, teils aus der Moral und teils aus der Psychologie. In einem Satz zusammengefasst könnte die Argumentation so klingen: » Wir sind als schlechte beziehungsweise böse Menschen auf die Welt gekommen, weil Gott uns straft. Und auch die Wissenschaft stimmt dem zu. « Allzu oft glauben Leute, der eine oder andere Teil des Satzes, wenn nicht gar der ganze Satz sei zutreffend.
Überprüfen wir doch einmal die vermeintlich rationale Position, die wissenschaftliche Begründung. Jede/r von uns kommt mit einem genetischen Gedächtnis zur Welt, das uns mit den überlebensnotwendigen Grundinstinkten ausstattet. Die Evolution ist bestrebt, die Fortpflanzung unserer Spezies zu gewährleisten. Unsere instinktiven Bedürfnisse und unsere emotionalen Triebkräfte arbeiten dabei Hand in Hand. Wir wollen uns Nahrung suchen, eine Behausung– ein Dach überm Kopf– finden, wir wollen Macht haben und uns fortpflanzen. Unsere vom Instinkt geleitete Angst hilft uns, gefährlichen Situationen, die eine Bedrohung für das eigene und für das Leben unserer Angehörigen darstellen, aus dem Weg zu gehen.
In diesem Sinn soll eine
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