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Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst

Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst

Titel: Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nymphenburger Verlag
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verkauft. « Die angesprochene Person erinnert sich selbstverständlich so gut wie nie daran. Solche Begegnungen haben etwas derart Irritierendes, dass Super-Wiedererkenner bereits in Verdacht geraten sind, Stalker zu sein – die Vorstellung, verfolgt zu werden, ist eben eine leichter zu akzeptierende Erklärung.
    Selbst wenn der Zahn der Zeit am Aussehen der betreffenden Person unübersehbar seine Spuren hinterlassen haben sollte, lassen Super-Wiedererkenner sich davon nicht beirren. Zeigt man ihnen Fotos von Sieben- oder Achtjährigen, die mittlerweile als weltbekannte Filmstars in Hollywood Karriere gemacht haben, weiß ein Super-Wiedererkenner augenblicklich, wen er da vor sich hat. Befragt, wie sie das bloß macht, erklärte eine solche Frau achselzuckend: » Das Gesicht eines in die Jahre kommenden Menschen verändert sich aus meiner Sicht bloß oberflächlich, als hätte jemand anstelle von brünettem jetzt blondes Haar oder einen neuen Haarschnitt. « Die tiefen Falten eines Achtzigjährigen täuschen einen Super-Wiedererkenner nicht über die Ähnlichkeiten hinweg, die sein gealtertes Gesicht mit dem Kindergesicht auf dem Klassenfoto aus der Grundschulzeit hat.
    Wenn es sich bei Gesichtsblindheit um eine Ausfallerscheinung des Gehirns handelt, was ist dann aber Super-Wiedererkennung? Um diese Frage beantworten zu können, müssten wir zunächst einmal wissen, wie der Mensch überhaupt Gesichter erkennt. Eines jedenfalls ist diesbezüglich sicher: In einer ähnlichen Weise, wie gesichtsblinde Menschen auf Merkmale zurückgreifen, um ihre beeinträchtigte Wahrnehmung zu kompensieren, spielt sich dieser Prozess nicht ab. Wenn Sie einer Frau gewissen Alters begegnen, gehen Sie nicht ein Verzeichnis mit Merkmalen für die Augen, die Haare, die Nase und den Mund durch, um schließlich zu sagen: » Oh, es ist meine Mutter. « Vielmehr erkennen Sie Ihre Mutter augenblicklich – eine Fähigkeit, die auf eine fast von Geburt an vorhandene Disposition zurückgeht. Mütter sind zwar ein Sonderfall, das macht die Lösung des Rätsels allerdings kein bisschen einfacher. Das Gehirn lässt vollständige, als Gestalt bezeichnete Bilder entstehen. Unsere Fähigkeit, Gesichter auf einen Blick und nicht Stück für Stück zu erkennen, basiert demnach auf Biologie.
    Jene Lichtphotonen, welche die Zellen unserer Netzhaut stimulieren, transportieren jedenfalls kein Bild; und ebenso wenig tun das die zur Sehrinde im Gehirn übermittelten Signale. Der Sehnerv verwandelt ein Bild in eine neuronale Botschaft– und die hat weder eine Form noch leuchtet sie. Die betreffende Information durchläuft mindestens fünf oder sechs Verarbeitungsschritte. Helle und dunkle Bereiche werden auseinandergehalten, Konturen erfasst, Muster entschlüsselt und so weiter. Ein Erkennen wird erst ganz kurz vor Ende des Prozesses möglich.
    Trotz alldem aber hat, wenn Sie sagen: » Oh, es ist meine Mutter « , niemand die leiseste Idee davon, wie Ihr Gehirn sie erkennen konnte. Dem sechsstufigen Verarbeitungsprozess lässt sich das jedenfalls nicht entnehmen.
    Unter Verwendung verschiedener Merkmalstrukturen haben Computerexperten, die im Bereich künstliche Intelligenz arbeiten, Versuche unternommen, Maschinen zur Gesichtserkennung zu befähigen. Die Resultate kann man bestenfalls als bruchstückhaft bezeichnen. Wenn Sie ein leicht unscharfes Foto von einem Ihnen vertrauten Gesicht sehen, erkennen Sie problemlos, um wen es sich handelt. Doch selbst der leistungsfähigste Computer ist in der Situation völlig aufgeschmissen.
    Nehmen Sie hingegen ein fotografisches Porträt und stellen es auf den Kopf, so werden Sie nicht mehr in der Lage sein, die abgebildete Person zu identifizieren, gleichgültig ob es sich um das Gesicht eines Familienangehörigen, eines Prominenten oder sogar Ihr eigenes Gesicht handelt. Machen Sie ruhig selbst die Probe aufs Exempel, indem Sie eine Promi-Illustrierte wie zum Beispiel die Bunte oder Gala aufschlagen und sie um 180Grad drehen– bekannte Gesichter werden Sie vor unlösbare Rätsel stellen.
    Im Unterschied dazu schert es einen auf Gesichtserkennung ausgelegten Computer nicht im Geringsten, ob das eingescannte Bild auf dem Kopf steht oder nicht. Ohne Weiteres kann er für die eine wie für die andere Anforderung programmiert werden. Warum aber hat uns die Evolution zwar das Potenzial für ein Super-Erkennen mit auf den Weg gegeben, nicht jedoch für das Erkennen von kopfstehenden Gesichtern?
    Auf diese Frage hätten wir

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