Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst

Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst

Titel: Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nymphenburger Verlag
Vom Netzwerk:
hatten, konnten bei ihrer Heimkehr vom Schlachtfeld die Gesichter ihrer engsten Familienangehörigen nicht mehr wiedererkennen; ebenso wenig diejenigen ihrer früheren Bekannten oder Freunde. Dessen ungeachtet waren sie sehr wohl zu einer genauen Beschreibung jedes Merkmals– Haarfarbe, Augen, Nasenform– in der Lage. Stellte man ihnen dann abschließend allerdings die Frage: » Können Sie uns nun also sagen, wer das ist? « , blieb ein ratloses Kopfschütteln die einzige Antwort.
    Anfangs brachten die Wissenschaftler das Phänomen Gesichtsblindheit mit den traumatischen Folgen von Verletzungen in Zusammenhang. Immerhin hatten schon im 18. und 19.Jahrhundert Ärzte bei ihren Patienten seltsame mentale Ausfallerscheinungen konstatiert. Bei Gesichtsblindheit, das stellte sich in den fünf Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg heraus, kann es sich allerdings um eine Prädisposition handeln. Knapp über zwei Prozent der Bevölkerung weisen offenbar solch eine Prädisposition auf. In extremen Fällen erkennt die oder der Betreffende nicht einmal das eigene Gesicht. (Der bekannte Neurologe Oliver Sacks hat zu dem Thema ein Buch geschrieben. Ferner hat er öffentlich gemacht, er selbst habe Prosopagnosie. Eines Tages entschuldigte er sich höflich bei jemandem, den er vermeintlich bei einem Zusammenstoß angerempelt hatte– um im nächsten Moment festzustellen, dass er vor einen Spiegel gelaufen war und sich bei sich selbst entschuldigt hatte!)
    Menschen mit Gesichtsblindheit, gleichgültig ob aufgrund einer Verletzung oder einer Veranlagung, weisen eine Störung im Gyrus fusiformis auf, demjenigen Teil des Schläfenlappens, der nicht nur mit der Gesichtserkennung, sondern auch mit dem Erkennen der individuellen Körpergestalt sowie dem Erkennen von Farben und Worten in Zusammenhang steht. Merkwürdig genug: Es kann Jahre dauern, bis man bemerkt, dass man diese Beeinträchtigung hat. Indem der von Gesichtsblindheit Betroffene sich solcher Ausreden bedient wie: » Gesichter kann ich mir schlecht merken « , verlässt er sich auf anderweitig wahrnehmbare Merkmale seines Gegenübers, zum Beispiel auf den Klang der Stimme oder darauf, wie der Bekannte oder Freund sich üblicherweise kleidet, anstatt tatsächlich sein Gesicht zu erkennen. So berichtete ein betroffener Mann, an der besten Freundin unter seinen Arbeitskolleginnen und -kollegen sei er wie an einer Fremden achtlos vorbeigegangen, als diese mit einer neuen Frisur in die Firma kam.
    Man könnte meinen, Prosopagnosie sei eindeutig zu diagnostizieren und auf einen kleinen, genau lokalisierbaren Bereich des Gehirns zurückzuführen. Längst ist es jedoch eine bestens dokumentierte Tatsache, dass unser Gehirn erst aufgrund von Vernetzungen in die Lage versetzt wird, Gesichter zu erkennen. Fünf visuelle Areale in unserem Hinterhaupt registrieren unbewusst, was wir vor Augen haben. Damit wir bewusst etwas sehen, müssen diese Signale erst an die Großhirnrinde im vorderen Teil des Gehirns weitergeleitet werden. Wenn diese Vernetzung nicht richtig funktioniert, bleibt das Erkennen aus. (Ein weiteres spezielles Hirnareal befähigt Sie dazu, Örtlichkeiten zu erkennen. Menschen mit einer Störung in diesem Bereich können zwar ein Haus detailliert in all seinen Einzelheiten beschreiben, jedoch nicht erkennen, dass sie da gerade vor dem eigenen Haus stehen.)
    Tiere verfügen bereits über die entsprechende Grundanpassung. Die Evolution hat sie mit einigen unglaublichen Erkennungsfertigkeiten ausgestattet: Mit Futter zu ihren Jungen heimkehrende antarktische Pinguine können mitten in einen Pinguinschwarm hineinspazieren, in dem Millionen Vögel dicht gedrängt beieinanderstehen, und dort dann schnurstracks auf das eigene Junge zusteuern. (Die Standarderklärung dafür lautet, der Elternpinguin habe sich den Schrei des Kleinen eingeprägt. Andere Sinne könnten dabei indes ebenso gut eine Rolle spielen.) Im Zusammenhang mit Gesichtsblindheit gibt es allerdings noch einen ganz anderen Aspekt: Manche Menschen verfügen über die genau gegenteilige Fähigkeit– sie sind » Super-Wiedererkenner « oder » Super-Erkenner « , ein bislang noch kaum erforschtes Phänomen.
    Super-Wiedererkenner [8] erinnern sich an praktisch jedes Gesicht unter all den Menschen, denen sie irgendwann schon mal begegnet sind. Womöglich sprechen sie auf der Straße einen Passanten an und erklären: » Erinnern Sie sich an mich? Vor zehn Jahren haben Sie mir im Aigner-Shop ein Paar schwarze Schuhe

Weitere Kostenlose Bücher