Super-Brain - angewandte Neurowissenschaften gegen Alzheimer, Depression, Übergewicht und Angst
und schufen so die Grundlagen für das digitale Zeitalter. Sobald sie dann aber ein bisschen älter als 20 waren, setzte bei diesen Jungs eine starke Fluktuation ein. Auf die Frage, wie das denn zu erklären sei, äußerte der Dekan einer der namhaftesten Universitäten mit einem Seufzer: » Schließlich können wir sie ja nicht daran hindern, über den Innenhof des Campus zu gehen. Und sobald ein Mädchen ihren Weg kreuzt, verschwinden sie. «
Der so entstandene Verlust aufseiten der binären Codes ist ein Gewinn für die Menschheit. Mit dem Aufkommen des limbischen Systems begann das Gewahrsein sich nach und nach aus der strikten Bindung ans bloße Überleben zu lösen. Die verschiedenen Bereiche des limbischen Systems, der Hippocampus beispielsweise oder die Amygdala, sind längst schon präzise kartiert. Und mittels der funktionellen Magnetresonanztomografie lassen sie sich zu allen möglichen Funktionen in Beziehung setzen. Wenn diese Art von Präzision dann allerdings Neurowissenschaftler zu der Behauptung verleitet, das limbische System setze uns, wie es die Instinkte tun, für seine Zwecke ein, muss man diese Aussage strikt von sich weisen. Die instinktiven Hirnfunktionen, die sich zum Zweck des Überlebens herausgebildet haben, müssen sich unserer bedienen. Wer würde denn nach jeder Mahlzeit selbst über die Verdauung des Essens entscheiden wollen? Wer möchte, wenn er miterlebt, wie vor ihm auf der Straße ein Auto unkontrolliert ins Schleudern gerät, einen Moment lang nachdenken müssen, bevor er reagiert? In weiten Bereichen des Lebens ist es von Vorteil, dass sie per Autopilot gesteuert werden. Und darum geschieht dies auch.
Emotionen hingegen, selbst wenn sie spontan aufwallen, bedeuten etwas. Bedeutung aber zählt zu jenen Abteilungen, in denen wir, jeder von uns, selbst Chef, der Abteilungsleiter, sein wollen.
» Was soll ich denn machen. Jedes Mal, wenn ich die Schlusssequenz von Casablanca sehe, heule ich « , wird vielleicht die eine oder der andere sagen. Nun gut, aber ob wir ins Kino gehen, das entscheiden wir. Und einer der Gründe, weshalb wir das tun, sind die starken Emotionen, die wir dort erleben können, ohne ein echtes Risiko in Kauf nehmen zu müssen. Das geht völlig in Ordnung: Sollen doch einem Mann ruhig die Tränen kommen, beispielsweise in der letzten Einstellung von Casablanca oder auch am Ende von Sein Freund Jello, wenn Travis dem treuen Hund, der beim Kampf gegen einen Wolf mit Tollwut infiziert wurde, den Gnadenschuss gibt– auch und gerade einem Mann, der meint, dass erwachsene Männer nicht weinen sollten.
Filme sind für das limbische System eine Art Sommerfrische: nicht weil das Gehirn es nötig hat, Tränen zu vergießen, sondern weil, unter den richtigen Umständen, wir das brauchen. Das » emotionale « Gehirn verspürt keine Emotionen. Sie haben Emotionen, indem Sie diesen Teil Ihres Gehirns nutzen.
In der emotionalen Phase des Gehirns verbirgt sich allerdings neuer Konfliktstoff: und zwar an einem Punkt, mit dem wir bereits an anderer Stelle in Berührung gekommen sind– dem Gedächtnis. Erinnerung ist die wirkungsvollste Möglichkeit, dass sich Emotionen in uns festsetzen. Und dann wird man sie nur mit Mühe wieder los. Bei einer Emotion, der Angst, haben wir schon darüber gesprochen, wie schwer sie sich abschütteln lässt. Solch eine klettenartige Bindung an eine Erfahrung wird im Sanskrit Samskara genannt und als eine auf frühere Handlungen, auf Karma, zurückgehende Geistesprägung definiert.
Das sind exotisch klingende Worte, doch jede aus dem Osten kommende spirituelle Überlieferung ist aus einem fundamentalen Dilemma hervorgegangen: dem Bestreben, uns aus dem Klammergriff jener alten Konditionierungen zu lösen, die in der Gegenwart Schmerz und Leid verursachen, indem sie dazu führen, dass wir uns des früheren Schmerzes erinnern. Und im Geist karmische Prägungen zu hinterlassen ist ein untrennbar mit dem » emotionalen « Gehirn verbundener Prozess.
Ob Sie an Karma glauben oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Sie hinterlassen andauernd Prägungen in Ihrem Nervensystem. Jede Ihrer Vorlieben oder Abneigungen ( Brokkoli kann ich einfach nicht ausstehn, ich liebe Spargel; sie hasse ich, dich liebe ich ) ist auf frühere Prägungen zurückzuführen. Hier geht es um mehr als um bloße Datenverarbeitung. Wer das menschliche Gehirn mit einem Computer vergleicht, den sollten Sie fragen, ob Computer Brokkoli mögen oder den Faschismus hassen.
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