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Super Nova (German Edition)

Super Nova (German Edition)

Titel: Super Nova (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elea Noir
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unsere Existenz. Mein Vater verstorben, meine Mutter geistig zurückgeblieben, das riesige Haus und keine Hilfe. Ich war vollkommen auf mich allein gestellt.
    Tommy war mir ein großer Trost in dieser Zeit, obwohl er selbst erst zwölf Jahre alt war. Ich hatte schon damals ein paar kleine Nebenjobs und trug jedes Wochenende Zeitungen aus – sowohl in Bad Liebenstein als auch in Schweina . Tommy half mir immer und wir teilten uns den Verdienst.
    Als wir vor fünf Jahren am Osterwochenende den Kreisanzeiger in den Briefkasten des Kinderheims stecken wollten, sah ich den kleinen Jungen zum ersten Mal.
    Die Kinder suchten draußen im Garten ihre Osterkörbchen. Während die anderen sich freuten, saß Piri neben seinem bunten Korb und betrachtete ihn still. In seiner linken Hand hielt er ein Osterei. Dabei fiel mir auf, dass ein Teil seines Zeigefingers fehlte. Frau Büttner behauptet, seine wahnsinnige Mutter habe ihm den halben Finger abgeschnitten; aber mehr hat sie nie über seine He r kunft preisgegeben.
    Ich verliebte mich damals sofort in den kleinen dunkelhaarigen Jungen mit den riesigen Augen, die von ellenlangen schwarzen Wimpern künstlerisch umrandet waren. Piri hatte etwas Engelhaftes an sich. Eine unsichtbare Macht – wahrscheinlich Liebe – zog mich zu dem Kind. Ich verbrachte den ganzen Ostersonntag mit Tommy im Heim. Wir spielten bis abends mit den Kindern und mussten anschließend in der Dunkelheit unsere Zeitungen austragen, weil wir es vor lauter Spielen vergessen hatten. Seit diesem Tag besucht e ich Piri regelmäßig.
    Während die anderen Heimkinder nur zeitweise hier wohnten oder ihr Aufenthalt auf ein paar Jahre beschränkt war, verbrachte Piri schon sein ganzes Leben in dem Heim und es sah danach aus, als bliebe das leider so.
    Ich hatte Frau Büttner schon x-mal gefragt, ob ich Piri wenig s tens übers Wochenende mit zu mir nehmen könnte, aber sie ve r neinte immer. Ausgerechnet mit ihm war sie sehr streng. Er hatte im Heim nicht die gleichen Freiheiten wie die anderen Kinder. Er musste viel zeitiger zu Bett, sein Zimmer wurde abends generell abgeschlossen, er durfte sich im Freien nur selten aufhalten und längere Ausflüge waren für ihn tabu. Irgendetwas stimmte da nicht, nur was das war, konnte ich in den vergangenen fünf Jahren nicht
    herausfinden.
    Piri hatte das Wesen eines überaus ruhigen Kindes. Er erzählte nicht viel – leider. Im Grunde war er ein kleiner Engel, dem das Schicksal übel mitspielte. Durch seine Geschichte habe ich es damals geschafft, über Vaters Tod hinwegzukommen.
    Piri war so klein und hatte niemanden, ich dagegen hatte Mutter, Rania, die Schreibers und Tommy.
    Ich hatte so viel mehr als dieser kleine Junge, der schon längst einen festen Platz in meinem Herzen besaß, erinnerte ich mich gerade.
    »Stella, wie schön, dich zu sehen!«, erklang es hinter mir. Es war Sascha. Er stand neben dem Fenster im großen Gemeinschaftsraum und blickte mir tief in die Augen. Tommy spielte mit den anderen Kids im Zimmer Fangen und rannte mich fast um, als ich zu Sascha ging.
    »Hallo«, sagte ich und umarmte ihn. Seine Umarmungen waren
    immer zaghaft, man spürte sie fast nicht. Doch diesmal hielt er meine Hände fest und blickte mir in die Augen. Die Zeit verging, doch er ließ mich merkwürdigerweise nicht los. Wir standen schwe i gend am Fenster, bis ich Piri in einer Ecke entdeckte und mich von Sascha löste.
    »Entschuldige, ich möchte Piri begrüßen«, machte ich zaghaft deutlich und ging zu meinem Liebling. Piri war ein trauriger, meist stiller Junge, aber wenn er mich sah, lächelte er immer. Wie ich sein Lächeln liebte. Auf abstruse Weise erinnerte es mich stets an meine Schwester Tessa.
    » Piri , Schatz«, hauchte ich und nahm ihn fest in den Arm. Ich wiegte ihn wie ein Baby und hielt ihn fest. Er schien es zu genießen. Die Kinder bekamen hier kaum Streicheleinheiten. So schön und familiär diese Einrichtung auch war, im Endeffekt ist jedes noch so perfekte Kinderheim kein richtiges Zuhause. Wie gerne hätte ich ihn mitgenommen, um mit ihm ein Eis zu essen oder spazieren zu gehen. Aber Frau Büttner verweigerte mir jeden noch so kleinen Ausflug. Sascha durfte ich schon öfter mitnehmen. Allerdings brach es mir das Herz, wenn ich Piri zurücklassen musste. Deshalb zog ich es vor, die wenige Zeit, die wir hatten, hier mit beiden gemeinsam zu verbringen.
    Heute war Sonntag, darum hielten sich nur wenige Kinder im Heim auf. Einige verbrachten die Wochenenden

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