Super Nova (German Edition)
rausgeschrien, aber nicht eine Träne wollte fließen. Shivas plötzliches Verschwinden steckte wie ein dicker Kloß in meinem Hals, den ich weder hochwürgen noch runterschlucken konnte, sondern ertragen musste.
Warum verschwanden alle Menschen, die ich liebte, aus meinem Leben? Was für ein schrecklicher Fluch lastete nur auf mir? Erst Tessa (ich hatte nicht viele Erinnerungen an sie, aber die paar wenigen machten mir bewusst, welch einen Verlust ihr Verschwi n den in meinem Leben darstellte). D ann starb Vater …
Ich dachte damals, schlimmer kann es niemals kommen. Wären Tommy und Piri nicht gewesen, hätte ich den Schmerz vielleicht nie verarbeitet. Aber nun auch noch Shiva! Wie konnte ich nur so dumm sein und glauben, ein derartiger Mann hätte Interesse an mir? Weil er mich ein paarmal angesehen hatte und ich jedes Mal fast in Ohnmacht gefallen war? Wie blöd von mir!
Jetzt endlich kamen sie, die dummen Tränen. Ich heulte den res t lichen Tag und die halbe Nacht. Als ich Sonntag früh erwachte, war mein Kopfkissen von den Tränen durchnässt. Vierundzwanzig Stunden waren vergangen, ohne dass ich etwas gegessen oder getrunken hatte. Selbst für Babette hatte ich nichts gekocht. Traurig tapste ich ins Badezimmer und duschte ausgiebig. Dabei trank ich von dem Wasser, das mir über den Kopf lief. Ich blieb eine kleine Ewigkeit unter der Dusche, bevor ich mich in meinen Bademantel einwickelte und zurück in mein Zimmer schlich.
Ich setzte mich aufs Bett und mein Blick fiel auf den Kalender: Es war der 18. März. Wie um alles in der Welt sollte ich nur die kommende Schulwoche überstehen? Ich fand darauf keine Antwort.
Während der ganze Sonntag ereignislos an mir vorüberzog, stand ich Montagmorgen geradezu mechanisch auf und deckte wie g e wohnt für Babette den Frühstückstisch. Ich selbst trank nur ein Glas Orangensaft – das erste richtige Getränk seit achtundvierzig Stu n den. In meinem Bauch rumorte es, aber ich ignorierte den Schmerz. Sollte mir mein blöder Bauch ruhig wehtun. Ich fütterte Cosimo, schnappte meine Tasche und fuhr zu Tommy. Ich kann nicht behaupten, dass ich traurig war – gefühllos würde es besser b e schreiben. Tommy wartete schon vor dem Haus auf mich. Als er einstieg, sah er mich skeptisch an.
»Meine Güte, Stella, ich dachte schon, du kommst nicht. Ich h a be dir mindestens zehn SMS geschrieben und ein Dutzend Mal angerufen. Bei dir war nur besetzt und dein Handy war aus. Was ist nur los?«, fragte er sichtlich bestürzt.Was sollte ich antworten? Vorerst schweigend, gab ich Gas.
»Shiva ist weg«, flüsterte ich nach einiger Zeit und eine Träne kullerte über mein Gesicht. Es laut auszusprechen, tat mehr weh, als ich dachte. Tommy wirkte im Vergleich zu Rania um einiges fei n fühliger.
»Du hattest ihn wohl doch sehr gerne? Es tut mir leid, Stella, wirklich. Gerade du, die ihr Herz nicht jedem schenkt, wirst immer wieder verletzt. So e in Idiot«, schimpfte er. »I ch muss gestehen, dass ich den Typen nicht mochte. Er hatte etwas Unheimliches an sich und wie er dich an sah, gefiel mir auch nicht. Aber wenn er dir so viel bedeutet … Kann ich etwas für dich tun?«
Unter Tränen schüttelte ich den Kopf und Tommy verstand. Er ließ mich in Ruhe und sprach das Thema die ganze Woche nicht mehr an. Ich ging ihm und den anderen aus dem Weg. Rania wollte ich gar nicht mehr sehen. Als sie Freitagnachmittag hinter mir herlief, schlug ich ihr die Haustür vor der Nase zu und rannte heulend in mein Zimmer.
Wochenende, endlich! Da konnte ich mich schamlos meiner Trübseligkeit hingeben. Nächste Woche stand zum Glück das Praktikum im Kindergarten an.
Ich verbrachte den ganzen Samstag mit dem Hausputz. Ich schrubbte die Böden, putzte alle Fenster und suchte verzweifelt nach einem weiteren Staubkorn, das ich entfernen konnte. Leider war ich viel zu schnell fertig und wusste nicht, womit ich mich nun ablenken sollte. Plötzlich klingelte es an der Tür. Nein, ich würde nicht öffnen, ich wollte sowieso keinen sehen. Ich ärgerte mich aber, dass ich vergessen hatte, die Klingel wieder abzustellen. Nun hörte ich auch noch, wie Babette die Haustür öffnete.
»Hallo, ist Stella da?«
Es war Tommy. Ich gab nach und ging zu ihm.
»Komm rein«, sagte ich leise und er folgte mir in mein Zimmer. Traurig schaute er mich mit seinem Dackelblick an. »So schlimm? Ich wusste nicht, wie gern du ihn hattest. Aber glaub mir, hier drinnen wird es nicht besser. Da draußen gibt es noch
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