Super Nova (German Edition)
ihn. Von Piris Blessuren sagte ich kein Wort. Ich fragte Piri auch nicht danach, als ich ihn Stunden später besuchte. Seine Aussage, dass es ihm gut gehe und er sich an nichts erinnere, nahm ich ihm ab. Weiter wollte ich ihn nicht löchern.
Zu glücklich war ich über die Tatsache, dass er zurück war.
Ab diesem Tag besuchte ich die Kinder noch regelmäßiger. Zweimal in dieser Woche schaute ich im Heim vorbei und selbst Sascha wurde zusehends ruhiger.
Am kommenden Sonntag war der 1. April. Daher musste ich e i nen Tag vorher Torbens Büros aufräumen. Am frühen Samsta g morgen fuhr ich die gewohnte Strecke nach Eisenach und betrat kurz nach acht die Kanzlei. Diesmal war ich ganz alleine. Als ich in Paps’ Zimmer kam, sah ich Shiva vor meinem geistigen Auge in dem Sessel, in dem er vier Wochen zuvor noch gesessen hatte.
Die Erinnerung an ihn erfüllte mich erneut mit einem tiefen Schmerz. Ich schaltete das Radio an und begann, die Fenster zu putzen. Dabei versuchte ich vehement, meine Tränen zurückzuha l ten. Was hätte ich dafür getan, um die Zeit einen Monat zurückz u drehen? Hätte ich mich diesmal anders verhalten? Eine weitere Chance wünschte ich mir, nur eine e inzige, um mit ihm zu reden. Selbst wenn ich ihm nur › Auf Wiedersehen ‹ sagen dürfte, wäre dies besser als gar nichts. Sein plötzliches Verschwinden hatte mich komplett aus der Bahn geworfen. Wieso ging er nur, ohne sich von mir zu verabschieden?
› Weil e r gar nicht an dich gedacht hat‹ , hallte es in mir.Und wi e der kamen mir die Tränen. Wahrscheinlich sollte ich ihn wirklich vergessen und aus meinem Gedächtnis streichen. Dabei wusste ich, dass das unmöglich sein würde. Er war ein Teil von mir – der wichtigste: mei n Herz. Erst wenn es aufhören würde zu schlagen , könnte ich ihn vergessen.
Ich schniefte in ein Taschentuch und machte mich daran, das Büro aufzuräumen und die losen Blätter einzusortieren, die überall verstreut herumlagen. Torben verfügte leider über kein allzu gutes Ordnungsprinzip. Er nahm sich aus den Regalen und Schränken, was er an Unterlagen, Büchern und Heftern brauchte, und das blieb stets liegen und wurde nicht zurückgestellt. Wenn ein Zimmer im Chaos versank, ging er in das nächste. Seine Sekretärinnen taten es ihm meist gleich.
Ich räumte alle Nachschlagewerke in das große Regal und sortie r te die Akten in den Aktenschra nk, bis ich auf den Buchstaben ›N‹ stieß. Unbewusst durchwühlten meine Finger dieses Fach. Und da las ich seinen Namen: Novak, Shiva!
Natürlich musste Torben Unterlagen von ihm haben, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wieso war ich da nicht eher draufg e kommen? Verschmitzt sah ich mich um; so ein Blödsinn, es war keiner hier, ich konnte mir die Ak te ruhig nehmen und nachschauen!
Mein Herz schlug schneller, als ich mich in den großen Sessel setzte und Shivas Akte vor mir auf dem Tisch platzierte. Sein Name strahlte mich in silbernen Lettern an. Entschlossen schlug ich die Akte auf und starrte ungläubig auf die erste Seite. Sie war weiß, vollkommen weiß, da stand nichts!
Hastig blätterte ich um. Die nächste leere Seite folgte , auch die dritte Seite war nur schneeweiß! In der ganzen Akte stand nichts, aber auch gar nichts! Unbeschriebenes Papier war alles, was ich fand. Verwirrt stellte ich den Ordner zurück und erledigte meine Arbeit. Aber d ie pure Neugier war in mir entfacht. Weshalb stellte sich Torben eine leere Akte von Shiva in den Schrank? Da ich das dringend in Erfahrung bringen wollte, ging ich an diesem Samsta g abend das erste Mal seit Tagen wieder zu den Schreibers. Maria begrüßte mich sichtlich erfreut.
»Stella, wie schön, dich endlich mal wieder zu sehen! Rania e r zählte, du hattest Magen-Darm-Probleme? Ist es besser?«, fragte sie mich fürsorglich. Ich stimmte dieser Ausführung zu und wa r froh, dass Rania ihre merkwürdige Vermutung nicht weitererzählt hatte.
»Ja, mir geht es wieder gut. Ist Torben zu Hause? Ich muss ihn etwas wegen einiger Papiere in der Kanzlei fragen.«
»Ja, er ist oben im Loft und schaut Fußball! «
Ich nahm gleich zwei Stufen auf einmal und wurde erst langs a mer, als ich das Loft betrat. Dieses riesige Dachgeschoss, in dem ein Zimmer ins nächste überging, ließ meine Erinnerungen aufblühen. Ich wollte wissen, wo Shiva war, und vor mir saß der Ma nn, der es vermutlich wusste . Torben war in das Fußballspiel vertieft – ein ungünstiger Zeitpunkt, um ihn danach zu fragen.
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