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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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spüren – rüde, abfällig, unfreundlich, aber effektiv, sie tat, was nötig war, sorgte für die Bewegungsfreiheit meiner Genitalien, wahrte das Gesicht. Hinter denBergen, besagte ein altes koreanisches Sprichwort, das ich mal von Grace gehört hatte, lagen weitere Berge. Wir hatten gerade erst angefangen.
    Als ich in die Umkleidekabine ging, sagte einer der jugendlichen Verkäufer zu mir: «Ich sage Ihrer Tochter, dass Sie hier drin sind, Sir», und anstatt beleidigt zu sein, weil er mich womöglich für Eunice’ Adoptivvater hielt, erfüllte mein Mädchen mich mit Ehrfurcht, weil sie jeden Tag, den wir zusammen waren, über das furchtbare ästhetische Gefälle zwischen uns hinwegsah. Wir kauften hier nicht etwa nur für sie oder für mich ein. Sondern für uns, als Paar. Für unsere gemeinsame Zukunft.
    Ich verließ JuicyPussy mit Kleidung im Wert von zehntausend Yuan. Auf meinem Kreditrechner blinkten heftig die Worte NEUBERECHNUNG LÄUFT, was die Schwärme von Schuldenbombern vertrieb, die mir mehr Geld andrehen wollten. Als ich auf der 42 nd Street an einem Kreditmast vorbeikam, war meine Bonität um zehn Punkte auf 1510 gesunken. Ich war vielleicht ärmer, aber zumindest nicht mehr mit dem überalterten Möchtegern-Hipster zu verwechseln, der drei Stunden zuvor den U N-Konsumkorridor betreten hatte. Jetzt ging ich als Mann durch.
     
    Aber das war nicht alles. Ich sah auch gesünder aus. Die atmungsaktiven Stoffe machten mich etwa vier Jahre jünger. Auf der Arbeit fragte man mich in der Aufnahme, ob ich selbst Dechronifizierungsbehandlungen bekäme. Ich unterzog mich einer körperlichen Untersuchung, und meine Ergebnisse flappten über die Anzeigetafeln, mein ACT H-Wert und mein Cortisolspiegel waren rapide gefallen, und in der Spalte
arrivi
stand bei mir nun «sorgloser, anregender älterer Herr». Sogar Howard Shu kam zu meinem Schreibtisch und wollte mit mir zu Mittag essen. Joshieschickte Shu inzwischen jede Woche mit seinem Privatjet nach Washington. Es ging das Gerücht, dass Shu fürs Weiße Haus oder für noch Höheres bestimmt war. «Rubenstein», krächzten die Leute hinter vorgehaltener Hand. Wir verhandelten also direkt mit den Überparteilichen! Worüber, wusste ich allerdings immer noch nicht.
    Aber vor Shu hatte ich keine Angst mehr. Bei unserer Mittagsverabredung hielt ich seinem Blick länger stand als er meinem, während ich mit den Manschetten meines neuen, längsgestreiften Hemdes herumspielte, das meinen schwellenden Brustansatz tatsächlich verbarg. Wir saßen in der belebten Kantine, tranken Schweizer Mineralwasser, das wir persönlich alkalisiert hatten, und aßen ein paar gepresste Kügelchen Fischiges.
    «Tut mir leid, dass wir so einen schlechten Start hatten, als du aus Rom zurückgekommen bist», wagte Shu sich vor, und seine durchdringenden Augen sichteten den Datennebel seines Äppäräts.
    «Kein Prob», sagte ich.
    «Ich verrate dir jetzt was Vertrauliches.»
    «Wie du meinst», sagte ich. «Texte los, mein Freund.»
    Shu wischte sich den Mund ab, als hätte ich darauf gespuckt, fuhr aber dann im kollegialen Ton fort. «Gut möglich, dass uns Unruhen bevorstehen. Eine Neuaufstellung. Umfassender als die Aufstände neulich. Ist nicht sicher, wann. Aber so viel kriegen wir über ‹WapachungErkennung› mit. Die spielen ein paar Kriegsspiele durch.»
    «Sicherheit geht vor», sagte ich mit gelangweiltem Blick. «Was geht ab, Shu-ster?»
    Shu versank wieder in Äppärätdaten. Ich tat es ihm gleich und versuchte den Eindruck zu erwecken, als ginge es um ernste berufliche Dinge, dabei checkte ich bloß Eunice’ Standort mit GlobalTrace. Wie immer war sie in der GrandStreet 575, Apartment E-607, meiner Wohnung, ebenfalls tief in ihren Äppärät versunken, doch der Umstand, dass meine Bücher und die Designermöbel aus der Mitte des 20.   Jahrhunderts sie umgaben, sickerte in ihr Unterbewusstsein ein. Es freute mich auf ganz spießige Weise, dass ich mich darauf verlassen konnte, sie immer dort zu finden. Meine kleine Hausfrau! Und sie spürte mich genauso auf, alle paar Augenblicke, und wurde misstrauisch, wenn ich vom Tagesrhythmus abwich – ein spontanes Treffen in einer Bar mit Vishnu oder Noah, ein Spaziergang durch den unblutigen Teil des Central Park. Dass sie mich argwöhnisch überwachte, sich um mich sorgte – auch das gefiel mir.
    «Wir wollen nicht über das reden, was passieren
könnte
», sagte Shu. «Du sollst nur wissen, dass du für Posthumane

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