Super Sad True Love Story
permissiven Zeiten kompensieren können, und oft schon habe ich mir gewünscht, dass unsere derben Sprüche und rohen Posen in Wirklichkeit ein Code für Zuneigung und Verständnis sind. In manchen Männergesellschaften besteht ja die gesamte Kultur aus Slang und rituellen Umarmungen, ergänzt durch gelegentliche Rufe zu den Waffen.
Während ich also meinen beiden Jungs auf die Schultern klopfte, bemerkte ich, dass wir uns heimlich gegenseitig nach Zeichen des Verfalls beschnüffelten und dass Noah und Vishnu ein herbes Deodorant aufgelegt hatten, vielleicht um ihren veränderten Geruch zu kaschieren. Wir alle hatten die vierzig fast erreicht, ein Alter, in dem das Draufgängertum der Jugend und das Versprechen glorreicherTaten, das uns einst zusammengehalten hatte, langsam verblassten und unsere Körper allmählich Haare verloren, erschlafften, schrumpften. Wir waren immer noch so freundlich und besorgt umeinander, wie man das von einer Gruppe Männer nur erwarten kann, aber ich nahm an, selbst das Schlurfen in Richtung Erlöschen würden wir als Wettbewerb betreiben, ja dass manche von uns schneller schlurfen würden als andere.
«Zeit für Schadensreduzierung», sagte Vishnu. Ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, was zum Teufel diese «Schadensreduzierung» bedeuten sollte, obwohl die Jugendlichen in der Eternity Lounge von nichts anderem sprachen. «Was will der Wanderjuden-Nee-ger haben? Leffe Brune oder Leffe Blonde?»
«Für mich ein Blondes», sagte ich und warf ihm einen Zwanzig-Dollar-Schein mit Silberfaden und dem holografischen Aufdruck «
Backed by Zhongguo Renmin Yinhang/People’s Bank of China»
hin, in der Hoffnung, dass man die Getränke hier mit nicht an den Yuan gekoppelten Dollars bezahlen könnte, sodass mir ordentlich Wechselgeld herausgegeben würde. Doch Vishnu warf das Geld sofort zurück und schenkte mir sein freundliches Lächeln.
«Mein Nee-ger, ich bitte dich.»
Noah holte wie ein geübter Redner tief und demonstrativ Luft. «Okay,
putas
und
huevóns
. Ich streame euch das weiterhin direkt zu. Punkt acht Uhr. Rubenstein-Zeit in Amerika. Ein verfickter überparteilicher Abend hier in der Volksrepublik Staten Island, und Lenny Abramov hat gerade ein belgisches Bier für sieben an den Yuan gekoppelte Dollar bestellt.»
Noah richtete das Kameraauge seines Äppäräts auf mich und etablierte mich damit als Thema seiner Abendnachrichten. «Der Nee-ger muss uns alles erzählen», sagte Noah.«Der zurückkehrende Nee-ger muss unsere Zuschauer aufklären. Fang am besten mit den Frauen an, die du in Italien gepoppt hast.» Er wechselte ins Falsett: «‹Fick-e mich-e, Leonardo! Fick-e mich-e gleich, du starrrker Jud!› Dann wollen wir Pasta-Tipps hören. Texte mich voll, Lenny. Entwirf mir das Bild vom einsamen Abramov, der in seiner Stamm-Trattoria Nudeln schlürft. Und dann den ganzen Scheiß über die Rückkehr des verlorenen Nee-gers. Wie fühlt sich das an, wenn man als sanfter, nichtsahnender Lenny Abramov in Rubensteins Einparteien-Amerika zurückkommt?»
So wütend und bitter war Noah nicht immer gewesen, seine Bemühungen wirkten inzwischen etwas unverhältnismäßig, als merkte er nicht mehr, wie deutlich die Parallele zwischen seinem persönlichen Abstieg und dem Niedergang unserer Kultur und unseres Gemeinwesens war. Bevor die Verlagsindustrie zusammenbrach, hatte er einen Roman veröffentlicht, einen der letzten, den man tatsächlich in einem Medienladen kaufen konnte. Neuerdings machte er «Die Noah Weinberg Show!», finanziert von insgesamt sechs Sponsoren, die er im Laufe seiner Tiraden nebenbei zu erwähnen versuchte – einem mittelgroßen Escort-Service in Queens, mehreren ThaiSnak-Filialen im gepflegten Teil von Brooklyn, einem ehemaligen überparteilichen Parteipolitiker, der inzwischen Sicherheitsberatung für WapachungKrise, die schwerbewaffnete Sicherheitsabteilung meines Arbeitgebers, machte, und der Rest fällt mir jetzt nicht ein. Die Show wurde täglich etwa fünfzehntausendmal aufgerufen, was bei professionellen Medienschaffenden untere Mittelklasse hieß. Seine Freundin Amy Greenberg ist eine ziemlich bekannte Medienhure, die ungefähr sieben Stunden täglich live über ihre Gewichtsprobleme streamt. Vishnu hingegen ist Schuldenbomber für ColgatePalmoliveYum!BrandsViacomCredit, lungert also an Straßenecken herum und bespielt die Äppäräte von Passanten mit Images ihrer selbst, wie sie sich neu verschulden.
Auf Rechnung des Schuldenbombers wurden
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