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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Konsumfläche neben dem Müllcontainer, wo ich einen Strauß verwelkende Rosen und eine Flasche Champagner für dreihundert Dollar kaufte. Meine arme Eunice sah so erschöpft aus, als sie keuchend mit ihren vielen Taschen aus dem Busstieg, dass ich sie mit meiner aufmunternden Umarmung beinahe umwarf, doch ich gab mir Mühe, keine Show abzuziehen, wedelte mit Rosen und Champagner den Bewaffneten zu, um zu zeigen, dass ich für Konsum genug Kredit hatte, und küsste sie leidenschaftlich auf die Wange (sie duftete nach Flug und Feuchtigkeitscreme), dann auf die gerade, dünne, seltsam unasiatische Nase, dann auf die andere Wange, dann wieder auf die Nase, dann wieder auf die erste Wange, folgte dem Bogen ihrer Sommersprossen also hin und her, überquerte die Nase zweimal wie eine Brücke. Dabei fiel mir die Champagnerflasche aus der Hand, aber – wer weiß schon, aus was für futuristischem Mist sie die jetzt machen – sie zerbrach nicht.
    In Anbetracht dieses Liebeswahnsinns wich Eunice weder zurück, noch erwiderte sie meine Leidenschaft. Sie lächelte mich mit ihren vollen, dunkelroten Lippen und ihren müden jungen Augen verlegen an und bedeutete mir mit einer Armbewegung, dass ihre Taschen schwer seien. Und das waren sie, Tagebuch. Es waren die schwersten Taschen, die ich je getragen habe. Spitze Absätze von Damenschuhen stachen mich ständig in den Bauch, und eine runde, harte Metalldose ungeklärter Herkunft prellte meine Hüfte.
    Die Taxifahrt verlief fast schweigend, die Situation machte uns beide ein wenig betreten, wahrscheinlich hatten wir ein schlechtes Gewissen (ich wegen meiner relativen Macht über sie, sie wegen ihrer Jugend) und waren uns bewusst, dass wir bisher nicht mal einen ganzen Tag miteinander verbracht hatten und Gemeinsamkeiten erst noch entdecken mussten. «Ist dieser AR R-Scheiß nicht der totale Irrsinn?», flüsterte ich, als wir vor dem nächsten Checkpoint im Stau standen.
    «Von Politik verstehe ich nicht viel», sagte sie.
    Von meiner Wohnung war sie enttäuscht: zu weit weg von der U-Bahn -Linie F, die Gebäude zu hässlich. «Sieht so aus, als würde ich auf dem Weg zur U-Bahn ein bisschen Training kriegen», sagte sie. «Haha.» Das hängte ihre Generation immer gern an Sätze dran, es wirkte wie ein Tick. «Haha.»
    «Ich bin echt froh, dass du hier bist, Eunice.» Ich wollte, dass alle meine Worte so klar und ehrlich wie möglich waren. «Ich habe dich richtig vermisst. Das klingt zwar irgendwie komisch   …»
    «Ich hab dich auch vermisst, Nerd», sagte sie.
    Dieser Satz blieb zwischen uns in der Schwebe, als mit Zärtlichkeit vermählte Beleidigung. Sie hatte sich damit offenbar selbst überrascht und wusste nicht weiter – ob sie ein «Ha!» oder ein «Haha» dranhängen oder ungerührt die Achseln zucken sollte. Ich beschloss, die Initiative zu ergreifen, und setzte mich neben sie auf die Chrom-Leder-Couch von der Sorte, wie sie in den 1920ern und 30ern auf luxuriösen Kreuzfahrtschiffen zu finden war und in mir den Wunsch weckte, jemand anders zu sein. Sie sah meine Bücherwand ausdruckslos an, auch wenn jeder Band inzwischen vor allem nach Wildblumen-Raumspray und nicht mehr nach seiner natürlichen Druckessenz roch. «Tut mir leid, dass du dich von diesem Mann in Italien getrennt hast», sagte ich. «Auf GlobalTeens hast du gesagt, er wäre total dein Fall gewesen.»
    «Über den möchte ich im Augenblick nicht reden», sagte Eunice.
    Gut, ich auch nicht. Ich wollte sie einfach nur im Arm halten. Sie trug ein sandfarbenes Sweatshirt, unter dem ich die Träger des BH s erspähte, den sie nicht brauchte. Ihr grobgewebter Minirock aus einer Art Sandpapierstoff lag auf einer lila leuchtenden Strumpfhose auf, die bei demwarmen Juniwetter ebenfalls unnötig schien. Wollte sie sich vor meinen hemmungslosen Händen schützen? Oder war ihr bloß innerlich sehr kalt? «Du musst von dem langen Flug müde sein», sagte ich und legte ihr die Hand aufs lila Knie.
    «Du schwitzt ja wie verrückt», sagte sie lachend.
    Ich wischte mir über die Stirn, hatte prompt den Speckglanz meines Alters an mir. «Tut mir leid», sagte ich.
    «Errege ich dich so sehr, Nerd?», fragte sie.
    Ich sagte nichts. Ich lächelte.
    «Es ist nett von dir, mich hier wohnen zu lassen.»
    «Unbefristet!», rief ich.
    «Wir werden sehen», sagte sie. Als ich auf ihr Knie etwas Druck ausübte und eine kleine Bewegung aufwärts machte, griff sie nach meinem haarigen Handgelenk. «Lassen wir es langsam

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