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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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hervor, Zedern, die sich vorsichtig unter Kiefern mischen. Nach Osten hin läuft der Hügel in ein winziges grünes Tal aus, wo sich Kinderwagenund Langhaardackel mit gepunkteten Halstüchern tummeln, gewandte angelsächsische Kinder unter der Aufsicht ihrer dunkelhäutigen Betreuungspersonen schaukeln, Touristen auf folkloristischen Decken das Wetter genießen. Was für ein Tag! Mitte Juni, die Bäume in voller Pracht, die Zweige üppig begrünt. Überall Jugend zum Greifen nah. Wie sollte man sich dem natürlichen Reflex widersetzen, sich auf die Hinterbeine zu stellen und sehnsuchtsvoll nach Sonnenwärme zu schnüffeln? Wie sollte man seine Lippen daran hindern, Eunice’ Mund zu finden und sich hineinzugraben?
    Ich zeigte auf ein Hinweisschild mit der Aufschrift PASSIVE AKTIVITÄTEN ERWÜNSCHT. «Witzig, oder?», sagte ich zu Eunice.
    «
Du
bist witzig», sagte sie. Zum ersten Mal seit ihrer Landung sah sie mich direkt an. Wie üblich war ihre Unterlippe auf der linken Seite spöttisch gekräuselt, doch das nur, wie das Schild es verlangte, vollkommen passiv. Sie streckte die Hände aus, und die Sonne strich darüber, ehe sie in den Schatten meiner eigenen gerieten. Wir hielten uns kurz, dann schaute sie weg.
Kleine Schritte
, dachte ich.
Das reicht für den Moment.
Doch dann fing mein Mund an zu reden. «Mann», sagte er, «ich könnte dich wirklich lieben lern–»
    «Ich will dich nicht verletzen, Lenny», unterbrach sie mich.
    Ganz ruhig. Immer mit der Ruhe.
«Weiß ich doch», sagte ich. «Wahrscheinlich bist du immer noch in diesen Typen in Italien verliebt.»
    Sie seufzte. «Alles, was ich anfasse, wird zu Scheiße», sagte sie kopfschüttelnd, und ihr Gesicht wirkte plötzlich älter und gnadenlos. «Ich bin eine Katastrophe auf zwei Beinen. Was ist
das
denn?»
    Es schmerzte meine Augen, sich von ihrem Gesicht zulösen, doch ich sah dorthin, wo ich hinsehen sollte. Jemand hatte sich auf dem Hügelkamm eine kleine Holzhütte gebaut, was den rustikalen Charme nur erhöhte. Träge schlenderten wir hinauf, um mehr herauszufinden, und ich genoss die Gelegenheit, ihren Hintern zu betrachten, der bescheiden, fast nutzlos auf zwei kräftigen Beinen thronte. Ich fragte mich, wie sie ohne Arsch in dieser Welt überleben sollte. Jeder Mensch braucht ein Polster. Vielleicht konnte ich ihr Kissen sein.
    Die Hütte war gar nicht aus Holz, sondern aus Wellblech, allerdings so verwittert und farblos geworden, dass es vorsintflutlich wirkte. Darauf war eine Sonnenblume gemalt, außerdem die Worte: «ich heiße aziz jamie tompkins ich busfahrer gearbeitet vorgestern aus wohnung geworfen das ist mein haus nicht schießen.» Vor der Baracke saß ein Schwarzer auf einem Backstein, graue Koteletten wie ich selbst, eine etwas affige Mütze, die sich beim zweiten Hinsehen als Uniformmütze der
Metropolitan Transportation Authority
entpuppte, ansonsten eher unauffällig – weißes T-Shirt , Goldkette mit übergroßem Yuan-Symbol   –, bis auf seinen Gesichtsausdruck. Der fassungslos war. Er schaute mit offenem Mund zur Seite, atmete sachte, wie ein erschöpfter Fisch, die herrliche Luft ein, völlig entrückt von der kleinen Gruppe Einheimischer, die sich in respektvollem Abstand von einigen Metern gebildet hatte, um seine Armut zu betrachten, und den äppärätschwingenden Touristen wiederum ein paar Schritte dahinter, die ein gutes Bild schießen wollten. Ab und zu hörte man aus dem Inneren der Hütte eine Metallpfanne scheppern oder die Auftaktmelodie eines uralten Computers, der sein Betriebssystem hochzufahren versuchte, oder eine leise, unfrohe Frauenstimme, doch der Mann ignorierte das alles, sein Blick war leer, eine Hand hielt er in der Luft wiebei einer stummen Kampfsportübung, die andere kratzte missmutig an einem Fleckchen trockener Haut, der sich an seiner Wade ausbreitete.
    «Ist er arm?», fragte Eunice.
    «Schätze schon», sagte ich. «Mittelschicht.»
    «Er ist Busfahrer», sagte eine Frau.
    «War», entgegnete eine andere.
    «Sie haben ihn wegen dem Besuch dieses Zentralbankheinis vertrieben», sagte eine dritte.
    «Des
chinesischen
Zentralbankchefs.» Das war wieder die Erste, eine ältere Frau in übelriechendem T-Shirt , die eindeutig zu einer Randgruppe gehörte (was hatte sie überhaupt in diesem Teil Manhattans zu suchen?). Mehrere aus ihrer Kohorte warfen Eunice nicht sehr freundliche Blicke zu. Ich überlegte, ob ich der wachsenden Menge nicht erklären sollte, dass meine neue Freundin keine

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