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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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familiär vorkam, wie ein ausgetretener Teppich im Spielzimmer oder ein nachlässig gemachtes Bett. Dahinter lag auf drei Seiten das Ensemble früher einmal als hoch geltender Gebäude, die älteren stoisch und von Mansarden gekrönt, die neuen Träger blinkender Informationen. Wir gingen an einem asiatisch-weißen Pärchen vorüber, das ein aus Prosciutto und Honigmelone bestehendes Frühsommerpicknick aß, und ich musste Eunice’ Hand kurz drücken. Sie sah mich an und fuhr mir mit der feuchtigkeitsgepflegten Hand durchs ergrauende Haar. Ich erwartete einen Kommentar über mein Alter und Aussehen. Ich erwartete, wieder zu Tschechows hässlichem Kaufmann Laptew zu werden. Diesen Schmerz kannte ich so gut, dass er tatsächlich einen seltsamen Vorgeschmack in meinem Mund hinterlassen hatte, nach Mandeln und Salz.
    «Mein süßer Kaiserpinguin», sagte sie stattdessen. «Du bist so liebreizend. Du bist so klug. Und so gütig. So anders als alle, die ich kenne. So
du
. Ich wette, du kannst mich echt glücklich machen, wenn ich es bloß zulasse.» Rasch küsste sie mich auf die Lippen, als hätten wir uns schon hundertmal geküsst, und rannte auf die grüne Wiese neben uns, wo sie drei anmutige Salti schlug – einen nach dem anderen nach dem anderen. Ich stand einfach da. Im Freudentaumel. Nahm die Welt in winzigen Teilabschnitten wahr. Wie ihr bloßer Körper die Luft zerteilte, der Bogen ihres Rückgrats in Bewegung war, der offene Mund nach der leichten Anstrengung heftig atmete. Wie sie mich ansah. Sommersprossen und Hitze. Ich spannte meine Brust gegen das, was zu erwarten war. Nein, weinen würde ich nicht.
    Graue, mit industriellen Rückständen gesättigte Wolken rückten in den Vordergrund; eine gelbe Substanz brannte sich in den Horizont, wurde zum Horizont, wurde Nacht. Während der Himmel sich verdunkelte, sahen wir uns auf drei Seiten vom Exzess unserer Zivilisation umringt, doch der Boden unter unseren Füßen war weich und grün, und hinter uns lag ein Hügel, bewachsen mit Bäumen, so klein wie Ponys. Wir gingen schweigend, und ich roch die säuerlichen, fruchtigen Gesichtscremes, mit denen Eunice das Alter abzuwehren suchte, gemischt mit einer Ahnung von Lebendigem, Körperlichem. Multiple Universen lockten mich mit ihrer Existenz. Ich wusste, sie würden sich als Trugbild erweisen, wie die Unveränderlichkeit Gottes oder das Weiterleben der Seele, doch ich griff weiterhin nach Glaubensstrohhalmen. Denn ich glaubte an Eunice.
    Es wurde Zeit zu gehen. Wir wandten uns Richtung Süden, und als wir die letzten Bäume hinter uns ließen, gab uns der Park der Stadt zurück. Wir unterwarfen uns einem Wolkenkratzer mit grünem Mansardendach und zwei kahlen Schornsteinen. New York explodierte um uns herum, Menschen, die Waren feilboten und kauften, Forderungen stellten, streamten. Die Dichte der Stadt traf mich unerwartet, ich taumelte unter ihrer Aufdringlichkeit, ihren Alkoholdämpfen, ihrer Hybris, ihrem lauten, vergehenden Reichtum. Eunice sah in einige Schaufenster an der Fifth Avenue, auf ihrem Äppärät wimmelte es vor neuen Informationen. «Euny», ich probierte eine Kurzversion ihres Namens aus, «wie geht es dir gerade? Hast du Jetlag?»
    Sie starrte auf ein Stück Krokodilhaut, das zu einem Gegenstand von beträchtlicher Größe gedehnt worden war, und antwortete nicht.
    «Wollen wir zu unserer Wohnung gehen?»
    Unserer
Wohnung?
    Sie scannte die tote Amphibie mit ihrem Äppärät, als hielte die eine Antwort parat. Ihre untere Gesichtshälfte zeigte ein Lächeln, das jedoch nur dem Namen nach ein Lächeln war. Als sie sich vom Schaufenster ab- und mir zuwandte – als sie mich betrachtete   –, war ihr Gesicht ausdruckslos. Sie blickte in die glatte weiße Leere meines Halses.
    «Reib dir nicht die Augen», sagte sie in diese Leere, indem sie die Worte zwischen ihren Lippen hervorpresste, jede Silbe zerhackte. «Du tötest die Zellen rings um die Augen ab, wenn du so fest reibst. Darum ist die Haut da auch so dunkel. Das macht dich älter.» Ich hoffte, sie würde «Nerd» dranhängen, damit ich merkte, dass alles in Ordnung war, aber sie unterließ es. Ich begriff nicht. Was war mit den Saltos? Was war mit «mein süßer Kaiserpinguin»? Mit diesem wundervollen, absolut unerwarteten Wort «liebreizend»?
    Wir gingen zur U-Bahn zurück, ohne dass eine Silbe zwischen uns fiel, ihr Blick war auf den Boden vor ihr gerichtet wie ein erloschener Suchscheinwerfer. Das Schweigen setzte sich fort. Ich

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