Super Sad True Love Story
ernsthaft, dass ich in Rom, wenn ich glaubte, ich sei in Fabrizia verliebt, nur daran denken musste, wie Grace über ihre freudlose Kindheit im abgelegensten Wisconsin sprach oder von ihrer großen Leidenschaft Joseph Beuys erzählte, um zu begreifen, dass alles an meiner Beziehung zur armen, todgeweihten Fabrizia vergänglich und gelogen war.
«Wieso magst du Eunice denn nicht?», fragte ich Grace und hoffte, sie würde mir stotternd und unter Schmerzen ihre Liebe gestehen.
«Es ist gar nicht mal so, dass ich sie nicht mag», sagte Grace. «Ich habe nur das Gefühl, dass sie noch eine Menge Sachen zu klären hat.»
«Was auch für mich gilt», sagte ich. «Vielleicht können Eunice und ich sie ja gemeinsam klären.»
«Lenny.» Grace rieb meinen Oberarm und zeigte lächelnd ihre gelbe Zahnreihe (wie ich ihre Unvollkommenheit genoss). «Wenn sie dich körperlich anzieht, kein Problem», sagte sie. «Daran ist nichts verkehrt. Sie ist scharf. Amüsier dich mit ihr. Eine nette Affäre. Aber erzähl mir nichts von ‹Ich liebe sie›.»
«Ich fürchte mich vorm Sterben», sagte ich.
«Und mit ihr fühlst du dich jung?», fragte Grace.
«Mit ihr fühle ich mich kahl.» Ich fuhr mir mit der Hand durch die Überreste.
«Ich mag dein Haar.» Grace zog sanft an dem Büschel, das einsam meine hohe Stirn bewachte. «Es ist ehrlich.»
«Es ist lächerlich, aber ich glaube irgendwie, dass Eunice mich ewig leben lässt. Bitte sag jetzt nichts Christliches, Grace. Damit komme ich nicht klar.»
«Wir alle werden sterben, Lenny», sagte Grace. «Du, ich, Vishnu, Eunice, dein Chef, deine Klienten, alle.»
Die Jungs johlten inzwischen vor ihren Äppäräten, und Grace und ich gesellten uns zu ihnen. Sie schauten sich den Stream von Noahs Freund Hartford Brown an, dessen Show politische Kommentare mit eigenen schwulen Hardcore-Sexszenen mischte. Der geschätzte Li – offiziell der Generaldirektor der Volksbank von ChinaWeltweit, inoffiziell der mächtigste Mann der Welt – wurde zuerst beim Schwätzchen mit unseren ahnungslosen Spitzenpolitikern der Überparteilichen auf dem Rasen vorm Weißen Haus gezeigt. Zu sehen war das Idol meines Vaters, Verteidigungsminister Rubenstein, der sich bis zur Hüfte tief verneigte: Seine stümperhaft stammelnde Wut hatte sich in stille Demut verwandelt, sein Erkennungsmerkmal, das weiße Einstecktuch, flatterte vor seiner Brusttasche wie eine billige Kapitulationsflagge. Rubenstein schenkte Li eine Art goldenen Fisch, der in die Luft sprang und sich auf wundersame Weise in die bauchigen Umrisse Chinas auffaltete: ein Hinweis darauf, dass Amerika immer noch
innovativ
produzieren konnte.
Dann wurde der geradezu aufgekratzte Hartford eingeblendet, an Deck einer Yacht in der Nähe der Niederländischen Antillen, so hieß es, wo frische Gischt Regenbogen auf seine Sonnenbrille spritzte und zwei dunkle, behaarteArme seine marmorhellen Schultern und Brustpartien massierten, während ihn die Stöße seines Lovers in das Sucherbild des Äppäräts schoben. «Fick mich, Brauner», säuselte er seinem Segelfreund zu, und seine Lippen waren so sinnlich und gleichzeitig so maskulin, so voller Leben und Wärme, dass mich sein Glück ganz glücklich machte.
Dann ein Schnitt zu Li und unserem jugendlichen Marionettenpräsidenten Jimmy Cortez im Weißen Haus – der Präsident saß steif, der chinesische Banker entspannter auf seinem Sessel, ungerührt von den dichtgedrängten Mikrofongalgen im Luftraum über ihm. «Ich finde total
geil,
was der Chinese anhat», kommentierte Hartford die Bilder aus dem Weißen Haus, zwischendurch aufstöhnend, weil der Antilleaner ihn weiterfickte. Die Zuschauer wurden daran erinnert, dass man Li bei einer informellen internationalen Meinungsumfrage zum bestgekleideten Mann der Welt gewählt hatte, wobei die Teilnehmer vor allem von «der Schlichtheit seiner Anzüge» und der «glamourösen übergroßen Brille» eingenommen gewesen waren.
«Wir wünschen uns, dass China eine Nation von Konsumenten und nicht von Ottern wird», flehte Präsident Cortez den Banker an.
Moment mal. Eine Nation von
Ottern
? Ich spielte die Stelle auf meinem Äppärät noch einmal ab. «Wir wünschen uns, dass China eine Nation von Konsumenten und nicht von Sparern wird», hatte der Präsident tatsächlich gesagt. Herrgott, ich drehte langsam durch. «Das amerikanische Volk braucht ChinaWeltweit als Retter unserer letzten großen und kleineren Produktionsbetriebe. China ist kein armes Land
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